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grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:die_stirling_waermepumpe

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Die Stirlingmaschine als Wärmepumpe

Die Maschine, die wir im Kapitel Stirlingmotor vorgestellt haben, lässt sich auch anders nutzen, als dort beschrieben: Statt den Prozess „rechts herum“, nämlich als Wärmekraftmaschine, zu betreiben, können wir die Maschine von außen mit mechanischer Energie linksherum laufen lassen: jeder einzelne Teilprozess in der Tabelle "Prozess in Einzelschritten" läuft nämlich problemlos auch in die entgegengesetzte Richtung1). Der Gesamt-Prozess läuft dann also 1 → 4 → 3 → 2 → 1 usw., linksherum.

Im übrigen funktioniert das auch mit den in der Praxis eingesetzten realen Stirling-Maschinen, sogar mit den kleinen Demonstrationsmodellen2). Wenn an dem ansonsten wärmegedämmt aufgestellten Modell gedreht wird, wird eine Seite kälter, die andere wärmer.

Das $pV$-Diagramm der Stirling-Wärmepumpe
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Beginnen wir hier aus Sicht des kalten Temperaturreservoirs $T_c$: Das wird nur vom Teilprozess (4 → 3) angezapft und ihm wird dabei die Wärme $Q_{43}$ entnommen:

$Q_{(4→3)}=-C_{Maschine}\cdot T_c .$

Das ist eine Kühlung (!) des kalten Reservoirs. So also funktioniert im Prinzip ein Kühlschrank oder einer Klimakälte-Anlage. Übrigens, ein für später wichtiger Merkpunkt: die rückwärtslaufende Maschine entnimmt hier exakt soviel Wärme, wie dem kalten Reservoir beim Betrieb des Stirlingmotors zugeführt worden war. Die „rückwärtslaufende Maschine“ hebt also für das untere Reservoir die Auswirkungen des ursprünglichen Motorprozesses gerade wieder auf.

Dagegen wird das obere Temperaturreservoir im Schritt (2 → 1) mit Wärme beschickt:

$Q_{(2 → 1)}=C_{Maschine}\cdot T_h .$

Wir bringen also Wärme aus dem kalten Reservoir in das heiße Reservoir, ja, sogar noch mehr, auch die gesamte aufgewendete mechanische Netto-Arbeit wird da gleich mit „abgeliefert“: Aus Sicht des oberen Reservoirs ist die Maschine nun eine Wärmepumpe und die gelieferte Wärme ist technisch betrachtet der „Output“ des Systems. Freilich läuft dieser Prozess nur, wenn der Maschine mechanische Energie (Arbeit) zugeführt wird, und zwar in der Höhe

$w_{tot}=w_{(4 → 3)} + w_{(2 → 1)}= - C_{Maschine} (T_h - T_c).$

Das ist in unserem Fall der „Input“ und damit lässt sich die Leistungszahl COP3) der Wärmepumpe bestimmen

COP$=\frac{Output}{Input}$:

COP$=\frac{Q_{(2 → 1)}}{w_{tot}}=\frac{-C_{Maschine}\cdot T_h}{-C_{Maschine} (T_h - T_c)}$

Die maschinenspezifischen Eigenschaften kürzen sich heraus, es bleibt

COP${\displaystyle =\frac{T_h}{T_h - T_c}}$

Das ist gerade der Kehrwert des Carnot-Wirkungsgrades. Die Maschine macht also auch für das heiße Temperaturniveau die Wärmeentnahme durch den Motor gerade rückgängig - und auch die aufgewendete Arbeit ist vom Betrag her gleich der vom Motor gelieferten Arbeit.

Die ideale Stirling-Maschine ist somit eine Maschine, die linksherum laufend ihre gesamten Wirkungen gerade 4) wieder aufhebt: Wir nennen das eine reversible Maschine. Für eine solche Maschine haben wir damit eine beispielhafte Realisierung gefunden5). Die Konsequenzen aus diesem Beispielprozess sind weitreichend und wir werden das im folgenden Kapitel darstellen.

Stirling Maschinen sind übrigens für die Praxis insbesondere für Tiefsttemperatur-Anwendungen ein hochaktuelles Arbeitsfeld. Z.B. arbeitet der Cryo-Cooler im James-Webb-Space-Telescope nach dem Stirling-Prinzip und viele Anlagen der Tiefsttemperatur-Forschung tun dies auch [Crowley 2017][Oberdorfer 2015].

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Literatur

[Crowley 2017] Michael Crowley nearisothermal stirling heat pump
[Oberdorfer 2015] Phillip Oberdorfer: How can I build an efficient Stirling heat pump?

1)
Davon kann sich die Leserschaft in jedem Einzelfall leicht selbst überzeugen - das ist eine sehr gute Verständnisübung
2)
Diese realen Maschinen haben natürlich zusätzliche, eigentlich vermeidbare Energieverluste durch Reibung, Begrenztheit des Wärmetransfers, Leckageströme und Wärmeverluste. Sie weisen daher (in bei Richtungen) eine geringere Effizienz auf als der hier betrachtete ideale Prozess. Nur der ist vollständig reversibel und das ist der Grund, warum wir den Idealprozess behandeln.
3)
eng.:Coefficient Of Performance
4)
ohne Spuren zu hinterlassen
5)
eine andere Realisierung ist z.B. die Carnot-Maschine
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