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Projekterfahrung lu-teco

Kurze Beschreibung des Gebäudes lu-teco (lu-teco 1)

Im Laufe des Jahres 2004 entschied die GAG Ludwigshafen als Bauherrin, ein neues Bürogebäude, das auf der 'Technologiemeile' südöstlich des Hauptbahnhofes in Ludwigshafen geplant war, als Passivhaus zu realisieren. Neben dem energetisch besonders anspruchsvollen Baustandard war jedoch von vorneherein klar, dass das Budget für die Investitionskosten begrenzt war, um später eine ortsübliche Miete von 9 €/m² realisieren zu können. Ein wesentliches Ziel war es daher, ein 'kostengünstiges' Passivhaus zu realisieren.

Abbildung 1: Bürogebäude lu-teco (lu-teco 1) - Ansicht von Süd-West


Das Passivhaus Institut war in diesem Projekt damit beauftragt, die Energiebilanz für das Gebäude mit etwa 10.000 m² Nutzfläche zu erstellen und die beteiligten Planer während der Planungs- und Ausführungsphase zu beraten. Diese Beratung bezog sich auf alle Belange der Passivhaus Gebäudehülle: Wärmebrückenberechnung und luftdichte Anschlüsse und diesbezügliche Beratung bei der Detailplanung. Auch der Drucktest zur Überprüfung der Luftdichtheit wurde vom PHI durchgeführt.

Das Gebäude wurde vom Bauherrn mit 'lu-teco' bzw. später mit 'lu-teco 1' bezeichnet, weil in direkter Nachbarschaft noch ein weiteres Gebäude 'lu-teco 2' als Passivhaus errichtet wurde, siehe auch www.lu-teco.de. In diesem Beitrag wird einfach die Bezeichnung 'lu-teco' statt 'lu-teco 1' verwendet.

Das Gebäude (Abbildung 1) wurde zur Beheizung im Winter und Kühlung im Sommer mit einer Betonkerntemperierung ausgestattet. Die Lüftung mit Wärmerückgewinnung hat nur die Aufgabe die Räume mit ausreichender Luftqualität zu versorgen und kann in geringem Umfang im Bypassbetrieb zur Kühlung herangezogen werden.

Die zu erwartenden sommerlichen Innentemperaturen waren bei diesem Projekt ein wichtiger Punkt. Daher wurden im Vorfeld eingehende zeitaufgelöste thermische Simulationen des Gebäudes bzw. von besonders exponierten Gebäudeteilen durchgeführt. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Innentemperaturen in einem behaglichen Bereich gehalten werden können, wenn sowohl die internen Wärmelasten (EDV-Geräte, Beleuchtung etc.) als auch die sommerlichen solaren Lasten durch angemessene Verschattung auf ein Minimum begrenzt werden. Die gut gedämmte Gebäudehülle tut ein Übriges, die solaren Lasten zu minimieren.


Verschattung

Die Fenster der Fingerbauwerke sind durchweg mit Jalousien ausgestattet. Die südorientierten Fenster des Kopfbauwerkes haben großflächige senkrechte Markisen (Abbildung 2, links).

Abbildung 2: Außenliegende Verschattung
Links: Senkrechte Markisen an den südorientierten Fenstern des Kopfbaus
Rechts: Jalousien an den Fenstern der Finger
Man erkennt den geteilten Behang: unten geschlossen, oben waagerechte Stellung.


Die Steuerung der Verschattungen geschieht fassadenweise. Ein zentraler Wind-Wächter und Detektor für die solare Einstrahlung dient als Referenz. Diese Steuerung hat sich als zu grob erwiesen, insbesondere, da die Windgeschwindigkeit auf dem Dach gemessen wird, und damit die tatsächlichen Verhältnisse an der Fassade oft nicht richtig wiedergegeben werden: oft werden die Windkräfte an der Fassade unterschätzt, so dass es schon zu erheblichen Beschädigungen kam. Daneben zeigten die ursprünglich verwendeten senkrechten Markisen (Abbildung 2, links) sich als sehr windanfällig: der Markisenstoff wurde in der ursprünglichen Ausführung nur unten und oben gehalten, der Wind konnte jedoch seitlich leicht hinter den Stoff greifen. Später wurde eine Version nachgerüstet, bei welcher der Stoff zusätzlich rechts und links reißverschlussartig gehalten wird.

Andererseits kann es auch Situationen geben, in denen die Windkräfte überschätzt werden und gleichzeitig eine hohe solare Einstrahlung herrscht: in diesem Fall wird der Sonnenschutz hochgefahren, obwohl das aufgrund der Windverhältnisse unnötig wäre, gleichzeitig herrscht aber noch Sonnenschein. Somit ist der Sonnenschutz genau zu Zeiten unwirksam, wo er eigentlich dringend gebraucht würde. Dies wird von den Nutzern als unakzeptabel beklagt.

Diese Erfahrungen zeigen qualitativ, was die Auswertungen der Innentemperaturen bestätigen: der Sonnenschutz sollte unbedingt fassadenweise angesteuert werden. Aber auch die Referenzmessung außen − Windverhältnisse und solare Einstrahlung sollte für jede Fassade möglichst separat bestimmt werden, um immer die tatsächlich herrschenden Verhältnisse abzubilden und den Sonnenschutz entsprechend den Erfordernissen steuern zu können.

Hinweis: Markisen müssen in der Planung unbedingt auch quantitativ bezüglich des minimal möglichen g-Wertes bewertet werden. Je nach Farbe und Webart des Stoffes sind nur sehr hohe g-Werte möglich, so dass die gewünschte Wirkung des Sonnenschutzes ggf. verfehlt wird.
In Abbildung 3 ist der subjektive Eindruck durch unterschiedlich belichtete Fotos dargestellt.

Abbildung 3: Qualitativer bzw. subjektiver Eindruck der Sonnenschutz-Wirkung
eines Markisenstoffes unterschiedlicher Farbe und Dichte.
Der tatsächlich erreichbare minimale g-Wert sollte vom Planer beim Hersteller
abgefragt werden, sonst steht die Wirkung des Sonnenschutzes evtl. in Frage.


Betonkerntemperierung

Das Gebäude ist in drei Bauabschnitte unterteilt (siehe Abbildung 5). Alle Bauabschnitte haben in den jeweiligen Decken eine sogenannte Betonkerntemperierung (BKT), d.h. Rohrleitungen, die im unteren Drittel der Betondecke angeordnet sind und die mit Wasser durchströmt werden.
Die BKT hat die Aufgabe als alleiniges System im Winter zu Heizen und im Sommer zu Kühlen.


Abbildung 4: Schemazeichnung der Funktionsweise der Betonkerntemperierung
Links: Sommer - Ankopplung direkt über einen Wärmetauscher ans Erdreich zum Kühlen
Rechts: Winter - Ankopplung der Erdsonden über Wärmepumpe an Betondecke zum Heizen


Dies ist ein wesentlicher Unterschied des Passivhauses zu konventionellen Gebäuden mit BKT: Dort werden in der Regel noch zusätzlich Heizkörper zur Abdeckung der Heizlast-Spitzen vorgesehen. Im Passivhaus werden keine zusätzlichen Heizkörper benötigt, denn wegen der gut wärmegedämmten Gebäudehülle hat das Gebäude eine sehr hohe thermische Trägheit von mehreren Tagen.

Sommerfall: Überschüssige Wärme im Sommer wird in das Erdreich abgeführt. Dazu werden die Betondecken mit Wasser durchströmt, das seine Energie über Wärmetauscher direkt an die Sole und damit an das Erdreich abgibt.
Die Sole durchströmt die insgesamt 39 Erdsonden (je 98 m tief) in einem geschlossenen Kreislauf (Abbildung 4, links).

Winterfall: Zum Heizen wird das Temperaturniveau der Sole aus dem Erdreich mit Hilfe einer Wärmepumpe je nach Bedarf auf etwa 22 bis 25°C angehoben. Mit dieser Temperatur kann mit den großen Deckenflächen sehr effektiv geheizt werden (Abbildung 4, rechts).

Nutzung und interne Wärmequellen

Das Gebäude wird sehr heterogen genutzt. Das 3. Obergeschoss (OG) und der gesamte 3. Bauabschnitt (BA) sind vollständig mit einem Call-Center belegt. Das bedeutet, dass dort eine hohe Dichte von Arbeitsplätzen gegeben ist. Gemäß Planung ist die Nutzfläche pro Arbeitsplatz im Call-Center nur etwa 11 m² (Abbildung 5). Da jeder Arbeitsplatz mit einem PC ausgestattet ist, sind die internen Wärmequellen dort vergleichsweise hoch (vgl. Tabelle 1ff).


Abbildung 5: Bürogebäude lu-teco, Grundriss 3. Obergeschoss
Die „Finger“ der drei Bauabschnitte sind nach Süden gerichtet,
das Kopfgebäude verbindet diese drei Abschnitte im Norden.

Grafik: Architekturbüro Laier


Der Rest des Gebäudes (Abbildung 6) ist mit typischer Büronutzung belegt: etwa 20 m² pro Arbeitsplatz. Die internen Gewinne sind dementsprechend niedrig, was die Auswertung der sommerlichen Innentemperaturen bestätigt (vgl. Tabelle 3).

Stromverbrauch Bürokommunikation: ein wesentlicher Beitrag zu den internen Wärmequellen.

Aus Zählerablesungen sind monatliche Stromverbräuche der verschiedenen Nutzungsbereiche des Gebäudes bekannt (vgl. Tabelle 1 bis 4). Demnach sind die internen Wärmequellen aus der Abwärme von elektrischen Geräten im Call-Center etwa dreimal höher als in einem 'normalen' Büro.


Abbildung 6:
Nutzung der Geschosse:

3. OG und alle Geschoss im 3. BA:
Call-Center mit hoher Dichte an
Arbeitsplätzen, 11 m² / Arbeitsplatz,
1 PC pro Arbeitsplatz

Siehe auch Abbildung 5

BA 1 und BA 2 im 1. und 2. OG
(alle anderen Bereiche):
Gemischte Nutzung mit weniger dicht
belegten Büros, 20 m² / Arbeitsplatz,
1 PC pro Arbeitsplatz.


Grafik: Architekturbüro Laier


Berücksichtigt man, dass die Abwärme der Server separat abgeführt wird, d.h. dass diese Abwärme die Raumtemperatur nicht direkt beeinflusst, so ist die Wärmelast in diesem Bereich immerhin noch mehr als doppelt so hoch im Vergleich zum normalen Büro.

Andererseits muss noch die Abwärme der anwesenden Personen angerechnet werden, die im Call-Center wegen der längeren Betriebszeiten und der höheren Belegung im Wochenmittel etwa viermal höher liegt als im 'normalen' Büro. Das Call-Center hat also eine Wärmelast von fast 350 Wh/(m²d), das normale Büro nur etwa 130 Wh/(m²d). In der nachfolgend referierten Simulation eines heißen Sommers wurde eine maximale interne Wärmelast von nur 250 Wh/(m²d) zugrunde gelegt.

Das zeigt, dass das Call-Center eine extreme Nutzungs-Situation darstellt. Dies wird bei der nachfolgenden Bewertung der gemessenen Innentemperaturen noch zu berücksichtigen sein.


Tabelle 1: Verbrauch an elektrischer Energie im Call-Center (incl. Server, etwa 40 Wh/(m²d)]:
Jahresmittelwert etwa 270 Wh/(m²d).
Hinweis: Bezugsgröße ist die Energiebezugsfläche nach PHPP.


Tabelle 2: Verbrauch an elektrischer Energie für Serverkühlung im Call-Center: Jahresmittelwert etwa 42 Wh/(m²d).
Hinweis: Bezugsgröße ist die Energiebezugsfläche nach PHPP.


Tabelle 3: Verbrauch an elektrischer Energie im „normalen“ Büro: Jahresmittelwert 105 Wh/(m²d).
Hinweis: Bezugsgröße ist die Energiebezugsfläche nach PHPP.


Tabelle 4: Spezifische Wärmelast durch anwesende Personen.
Diese Werte müssen zu den elektrischen Lasten hinzuaddiert werden.
Hinweis: Bezugsgröße ist jeweils die Energiebezugsfläche nach PHPP (s.oben).


Siehe auch

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