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grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:thermische_behaglichkeit:lokale_thermische_behaglichkeit

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grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:thermische_behaglichkeit:lokale_thermische_behaglichkeit [2011/01/23 10:04] – Nutzererfahrung wfeistgrundlagen:bauphysikalische_grundlagen:thermische_behaglichkeit:lokale_thermische_behaglichkeit [2019/01/30 13:54] cblagojevic
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 +====== Thermische Behaglichkeit im Passivhaus ======
 +
 + Richtig spannend ist, dass durch die Anforderungen des Passivhaus-Standards alle Behaglichkeitskriterien automatisch optimal erfüllt werden - eine erheblich bessere Wärmedämmung  verbessert zugleich die thermische Behaglichkeit. Und das kann ganz einfach verstanden werden:
 +
 +    * Durch eine bessere Wärmedämmung (gleichgültig, an welchem Außenbauteil) verringert sich der Wärmestrom von innen nach außen.
 +
 +    * Daher ist auch der Wärmestrom vom Innenraum an die Innenoberfläche dieses Außenbauteils geringer. Der Wärmestrom überwindet den sog. Wärmeübergangswiderstand der Oberfläche (Strahlung und Konvektion).
 +
 +    * Der geringere Wärmestrom hat einen geringeren Temperaturabfall über diesem Wärmeübergangswiderstand zur Folge, mit anderen Worten: //Die Temperaturdifferenz zwischen dem Raum (den Oberflächen im Raum und der Raumluft) und der Innenoberfläche des besser gedämmten Bauteils nimmt ab.//\\
 +\\
 +Die praktische Konsequenz: Bei sehr gut wärmedämmenden Außenbauteilen ist **die Temperatur der Innenoberfläche nur wenig verschieden von den übrigen Temperaturen im Raum**; das gilt im Sommer wie im Winter. In der kalten Jahreszeit bedeutet das, dass auch die Innenoberflächen der Außenbauteile behaglich warm sind (Außenwände, Dächer usw. höchstens 1 °C unter der Raumtemperatur, Fensteroberflächen maximal 3 bis 3,5 °C darunter [[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Lokale thermische Behaglichkeit#Literatur|[Pfluger 2003] ]]). "Passivhaus-Qualität", insbesondere bei Fenstern, wird sogar gerade so definiert: Die Dämmwirkung eines für Passivhäuser geeigneten Fensters muss so gut sein, dass bei kältesten Auslegungsbedingungen immer noch
 +
 +> ** |θ <sub>Raum</sub> - θ <sub>Oberfl</sub>| ≤ 3,5 °C**
 +
 +bleibt. Diese geringen Temperaturdifferenzen wirken sich nun auf alle Behaglichkeitskriterien aus, und zwar in folgender Weise:
 +
 +    *   Luftgeschwindigkeiten im Raum werden (von durch Fugen einströmender Kaltluft einmal abgesehen - die gibt es aber im luftdichten Passivhaus ohnehin nicht) durch den Auftrieb an unterschiedlich warmen Oberflächen erzeugt. Durch die geringen Temperaturdifferenzen sind die **Auftriebskräfte nun nur sehr gering**. In der Folge bleiben auch die Luftgeschwindigkeiten sehr gering. __**Abb.1**__ zeigt ein Simulationsergebnis mit einem CFD-Programm: Keine Zugluft im Aufenthaltsbereich, auch wenn kein Heizkörper unter dem Fenster vorhanden ist.\\
 +\\
 +|{{ :picopen:luft_v_u_0_8.png }}|
 +|//**__Abb. 1:__ Passivhausfenster, Luftströmung: Durch den geringen Temperatur-\\
 +unterschied zwischen Fensteroberfläche und Raumlufttemperatur ist die\\
 +Luftgeschwindigkeit der am Fenster abfallenden Luft nur gering. Am Fuß-\\
 +boden wird die Luft umgelenkt: In etwa 10 cm Entfernung vom Passivhaus-\\
 +fenster (U<sub>w</sub> = 0,8 W/(m²K)) beträgt die maximale Luftgeschwindigkeit noch\\
 +0,11 m/s. Das ist ein kaum wahrnehmbarer Wert. Ist die Dämmwirkung des\\
 +Fensters aber weniger gut, so steigt die Luftgeschwindigkeit auf störende\\
 +Werte an. Deshalb ist es empfehlenswert, bei "normalen Fenstern" unter\\
 +dem Fenster einen Heizkörper zu positionieren.\\
 +(CFD-Simulation: J. Schnieders, PHI).**//|\\
 +\\
 +    * Die Differenz der Strahlungstemperaturen in verschiedene Richtungen können nicht höher als 3,5 °C werden, wenn die Außenoberflächentemperatur nur maximal 3,5 °C unter der Raumtemperatur liegt. Die Thermographieaufnahmen in __**Abb.2 bis Abb. 4**__ zeigen den Unterschied zwischen den verschiedenen Qualitäten von Fenstern.\\
 +\\
 +|{{ :picopen:3warmfenster_thermographie_mit logo.png?300 }}|{{ :picopen:2isolierglas_thermographie_mit logo.png?300 }}|{{ :picopen:2waermeschutzglas_thermographie.png?250 }}|
 +|//**__Abb. 2:__ Wärmebildaufnahme eines Passivhaus-\\
 +fensters von der Innenseite. Alle Oberflächen\\
 +(Blendrahmen, Flügelrahmen und Verglasung)\\
 +sind angenehm warm (über 17 °C). Selbst am\\
 +Glasrand sinkt die Temperatur in diesem Bild\\
 +nicht unter 15 °C ab.\\
 +(Aufnahme: PHI; Objekt: Passivhaus Darmstadt\\
 +Kranichstein)\\ \\ **//|//**__Abb. 3:__ Zum Vergleich ein Altbaufenster mit\\
 +Zweifach-Isolierverglasung: hier liegen schon\\
 +die mittleren Oberflächentemperaturen unter\\
 +14 °C. Aber auch der Einbau zeigt auffällige\\
 +Wärmebrücken, besonders im Bereich des\\
 +Sturzes. Die Folgen: Strahlungstemperatur-\\
 +Asymmetrie, Zugluft und Kaltluftsee.\\ (IR-Aufnahme: PHI im Büroraum des Institutes)\\ \\ **//|//**__Abb. 4:__ Zweischeiben-Wärmeschutz-\\
 +verglasungen (hier bei einer neu ein-\\
 +gebauten Fenstertür) haben schon\\
 +höhere Oberflächentemperaturen (16 °C\\
 +im Mittel). Auffällig ist bei dieser\\
 +Aufnahme die sehr schlechte Dämmung\\
 +des konventionellen Fensterrahmens.\\
 +Passivhausrahmen erlauben eine\\
 +bedeutende Qualitätsverbesserung.**//|\\
 +\\
 +    * Die Raumlufttemperaturschichtung zwischen Kopf und Fußknöchel bei einer sitzenden Person beträgt weniger als 2 °C - aber nur unter der Voraussetzung, dass der **effektive mittlere U-Wert des Außenbauteils unter 0,85 W/(m²K) liegt**. Vgl. dazu die Abbildung in der Seite [[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Einflussgrößen auf die thermische Behaglichkeit]]
 +    * Die empfundenen Temperaturen unterscheiden sich im Raum von Ort zu Ort um weniger als 0,8 °C.\\
 +\\
 +> **Alle Behaglichkeitskriterien sind in optimaler Weise erfüllt, ohne dass es einer ausgleichenden Strahlungsheizfläche bedarf. In einem Raum im Passivhaus gibt es deshalb "automatisch" ein Strahlungswärme-Klima, unabhängig davon, wie die Wärme zugeführt wird. Mehr noch: da es keine großen Temperaturunterschiede gibt, bleibt auch die Luftbewegung gering. Die hier dargestellten Ergebnisse sind in der Publikation [[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Lokale thermische Behaglichkeit#Literatur|[Pfluger 2003] ]] belegt und durch praktische Erfahrungen der Nutzer immer wieder bestätigt worden.**\\
 +\\
 +Dass sich diese Eigenschaften gut gedämmter Gebäudehüllen auch **in der Praxis** so wahrnehmen lassen, wird von drei unabhängigen **Forschungsergebnissen** bestätigt:
 +
 +    *  Thermographieaufnahmen und Lufttemperatur- sowie Geschwindigkeitsmessungen in Passivhäusern bestätigen experimentell die hier dargestellten Ergebnisse ([[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Lokale thermische Behaglichkeit#Literatur|[Schnieders 2002] ]]).
 +
 +    *  Physiologische Messungen von Bernhard Lipp objektivieren die Behaglichkeitsempfindung ([[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Lokale thermische Behaglichkeit#Literatur|[Lipp 2004] ]]).
 +
 +    *  Sozialwissenschaftliche Befragungen einer repräsentativen Anzahl von Bewohnern liefern sehr gute Noten für gut wärmegedämmte Gebäude ([[Grundlagen:Bauphysikalische Grundlagen:Thermische Behaglichkeit:Lokale thermische Behaglichkeit#Literatur|[Hermelink 2004] ]]).\\
 +\\
 +{{:picopen:2isolierglas_thermographie_mit_logo.png|}}
 +
 +===== Siehe auch =====
 +
 +[[Planung:Waermeschutz:fenster:Verglasungen und ihre Kennwerte]]\\
 +\\
 +[[grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:thermische_behaglichkeit:einflussgroessen_auf_die_thermische_behaglichkeit|Einflussgrößen auf die thermische Behaglichkeit]]\\
 +\\
 +[[grundlagen:sommerfall|Behaglichkeit - auch im Sommer]]\\
 +\\
 +[[grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:thermische_behaglichkeit|Übersicht]] der Passipedia-Artikel zum Thema "Thermische Behaglichkeit" 
 +
 +
 +===== Literatur =====
 +
 +**[Pfluger 2003]** Pfluger, R.; Schnieders, J.; Kaufmann, B.; Feist, W.: Hochwärmedämmende Fenstersysteme: Untersuchung und Optimierung im eingebauten Zustand (Anhang zu Teilbericht A), 2003, [[http://www.passiv.de/04_pub/Literatur/HiWin/HiWin_F.htm|Internet-Publikation]]
 +
 +**[Schnieders 2002]** Schnieders, J.; Betschart, W.; Feist, W.: Raumluftströmungen im Passivhaus: Messung und Simulation HLH 03-2002, Seite 61
 +Kurzfassung im Internet: [[http://www.passiv.de/06_pre/PreMT/07/07.htm|Bewohnererfahrung]]
 +
 +**[Lipp 2004]** Lipp, B. und Moser, M.: Heizsysteme und Behaglichkeit: Ist Behaglichkeit physiologisch messbar? in: AkkP Protokollband Nr. 25, Darmstadt, 2004
 +Kurzfassung im Internet: [[http://www.passiv.de/04_pub/Literatur/ProtokB/Phase_III/2002-2004/AK25/Inh_AK25/02-BL_F.htm|Behaglichkeit]]
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 +**[Hermelink 2004]** Hermelink, Andreas: Werden Wünsche wahr? Temperaturen in Passivhäusern für Mieter; in: AkkP Protokollband Nr. 25, Darmstadt, 2004
 +Kurzfassung im Internet: [[http://www.passiv.de/04_pub/Literatur/ProtokB/Phase_III/2002-2004/AK25/Inh_AK25/03-AH_F.htm|Mieterbefragung]]
  
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