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grundlagen:der_einfluss_der_inneren_waermekapazitaet [2022/01/17 14:16] – [Die innere Wärmekapazität] wfeistgrundlagen:der_einfluss_der_inneren_waermekapazitaet [2022/01/20 13:29] (aktuell) – [Literatur] yaling.hsiao@passiv.de
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 Im Artikel [[planung:waermeschutz:waermeschutz funktioniert:Wärmedämmen oder Wärme speichern?]] wurde darauf hingewiesen, dass die gesamte (wirksame) innere Wärmekapazität eines Gebäudes durchaus einen Einfluss auf die Temperaturverläufe in den Räumen hat. Dieser Einfluss wird im vorliegenden Artikel behandelt.  Im Artikel [[planung:waermeschutz:waermeschutz funktioniert:Wärmedämmen oder Wärme speichern?]] wurde darauf hingewiesen, dass die gesamte (wirksame) innere Wärmekapazität eines Gebäudes durchaus einen Einfluss auf die Temperaturverläufe in den Räumen hat. Dieser Einfluss wird im vorliegenden Artikel behandelt. 
  
-Einflüsse von Größen, die sich wie die Wärmekapazität dynamisch auswirken, lassen sich nur bei instationären Prozessen beobachten und auch nur mit Methoden behandeln, die instationäre Vorgänge physikalisch korrekt berechnen. Ein validiertes Programm zur Behandlung thermisch instationärer Vorgänge in Gebäuden ist das Simulationsprogramm DYNBIL. Ein Vergleich zwischen Berechnungen mit DYNBIL und Messungen in Gebäuden ist in [[#Literatur|[AkkP-05] ]] publiziert und auszugsweise im [[planung:energieeffizienz_ist_berechenbar:dynamische_simulation#Vergleich_Messung/Simulation|Artikel zur dynamischen Simulation]] dargestellt. Dort finden sich auch Hinweise darauf, wie mit solchen hochkomplexen Simulationsprogrammen zuverlässige Ergebnisse erzielt werden können. Das geht nur, wenn alle anderen Randbedingen und Einflussgrößen, deren Einflüsse nicht Gegenstand der jeweiligen Untersuchung sind, konstant gehalten werden; sie müssen außerdem realistische Betriebsbedingungen für das Gebäude darstellen. Letzteres setzt zugleich voraus, dass ein ganzes Gebäude, ein ganzer Jahresverlauf (ausgehend von einem "eingeschwungenen Zustand") und ein einigermaßen realistisches Nutzerverhalten simuliert werden((Es mag überraschen, dass auch Randbedingungen bzgl. des Nutzerverhaltens in eine solche Simulation eingehen. Nichts anderes ist aber z.B. die Annahme, dass ein Gebäude im Winter auf mindestens 20°C beheizt wird. Aber diese Annahme allein reicht nicht: Wenn z.B. unter Bedingungen mit hoher solare Einstrahlung im Gebäude bei "unbeeinflusstem Betrieb" Temperaturen von 25 °C (und mehr) bestehen würden, so wird jeder Nutzer versuchen, die Behaglichkeit z.B. durch Fensteröffnen zu verbessern. \\ Im Standarddatensatz unserer Simulationen gehen wir sogar davon aus, dass die Nutzer schon bei Temperaturen, die 1 °C über dem Sollwert liegen, anfangen, die Fenster zu kippen. Das hat sogar Einfluss auf den Verbrauch an Heizwärme: Würde man zulassen, dass sich ein Gebäude im Sommer beliebig erwärmt, so wird zum Herbst hin mehr eingespeicherte Sonnenwärme in die Heizperiode übertragen. \\ **Fazit**: Auch wenn man ein sehr gutes Programm für eine Simulation verwendet, so muss man sich trotzdem einige Gedanken machen über eine sachgerechte Auswahl der Randbedingungen.)). Ein solches Programm erlaubt es z.B., die Temperaturverläufe in einer sommerlichen Hitzeperiode für ein vorgegebenes Gebäudemodell zu simulieren. Ein Simulationsergebnis für einen Wohnraum in einem Reihenendhaus zeigt die folgende Abbildung.+Einflüsse von Größen, die sich wie die Wärmekapazität dynamisch auswirken, lassen sich nur bei instationären Prozessen beobachten und auch nur mit Methoden behandeln, die instationäre Vorgänge physikalisch korrekt berechnen. Ein validiertes Programm zur Behandlung thermisch instationärer Vorgänge in Gebäuden ist das Simulationsprogramm DYNBIL. Ein Vergleich zwischen Berechnungen mit DYNBIL und Messungen in Gebäuden ist in [[#Literatur|[AkkP-05] ]] publiziert und auszugsweise im [[planung:energieeffizienz_ist_berechenbar:dynamische_simulation#Vergleich_Messung/Simulation|Artikel zur dynamischen Simulation]] dargestellt. Dort finden sich auch Hinweise darauf, wie mit solchen hochkomplexen Simulationsprogrammen zuverlässige Ergebnisse erzielt werden können. Das geht nur, wenn alle anderen Randbedingen und Einflussgrößen, deren Einflüsse nicht Gegenstand der jeweiligen Untersuchung sind, konstant gehalten werden; sie müssen außerdem realistische Betriebsbedingungen für das Gebäude darstellen. Letzteres setzt zugleich voraus, dass ein ganzes Gebäude, ein ganzer Jahresverlauf (ausgehend von einem "eingeschwungenen Zustand") und ein einigermaßen realistisches Nutzerverhalten simuliert werden((Es mag überraschen, dass auch Randbedingungen bzgl. des Nutzerverhaltens in eine solche Simulation eingehen. Nichts anderes ist aber z.B. die Annahme, dass ein Gebäude im Winter auf mindestens 20°C beheizt wird. Aber diese Annahme allein reicht nicht: Wenn z.B. unter Bedingungen mit hoher solare Einstrahlung im Gebäude bei "unbeeinflusstem Betrieb" Temperaturen von 25 °C (und mehr) bestehen würden, so wird jeder Nutzer versuchen, die Behaglichkeit z.B. durch Fensteröffnen zu verbessern. \\ Im Standarddatensatz unserer Simulationen gehen wir sogar davon aus, dass die Nutzer schon bei Temperaturen, die 1 °C über dem Sollwert liegen, anfangen, die Fenster zu kippen. Das hat sogar Einfluss auf den Verbrauch an Heizwärme: Würde man zulassen, dass sich ein Gebäude im Sommer beliebig erwärmt, so wird zum Herbst hin mehr eingespeicherte Sonnenwärme in die Heizperiode übertragen. \\ **Fazit**: Auch wenn man ein sehr gutes Programm für eine Simulation verwendet, so muss sich die IngenieurIn trotzdem einige Gedanken machen über eine sachgerechte Auswahl der Randbedingungen.)). Ein solches Programm erlaubt es z.B., die Temperaturverläufe in einer sommerlichen Hitzeperiode für ein vorgegebenes Gebäudemodell zu simulieren. Ein Simulationsergebnis für einen Wohnraum in einem Reihenendhaus zeigt die folgende Abbildung.
  
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 ===== Die innere Wärmekapazität ===== ===== Die innere Wärmekapazität =====
-Die innere Wärmekapazität (Kurzform für "effektive innere Wärmekapazität" C<sub>eff</sub> in [Wh/K] ) ist die gesamte Wärmespeicherfähigkeit in der Struktur eines Gebäudes, die von den Innenräumen her zugänglich ist. Das sind in der Regel die Kapazitäten aller innenliegenden Bauteile (z.B. Geschossdecken), sofern diese nicht z,B. durch Abhängungen abgekoppelt sind sowie der Teil der Außenbauteile, der sich "ungefähr" auf Raumtemperatur befindet (es stellt sich heraus, dass das so in etwa die ersten 6 bis 12 cm eines Bauteils nach innen zu sind, sofern nicht bereits zuvor eine wirksame Abtrennung (z.B. Wandteppich) vorhanden ist). Genauer bestimmt werden kann C<sub>eff</sub> durch eine Messung des dynamischen Gebäudeverhaltens oder ein thermisches Modell des Gebäudes inkl. Wärmeübergängen und einzelnen Bauteil-Wärmekapazitäten.+Die innere Wärmekapazität (Kurzform für "effektive innere Wärmekapazität" C<sub>eff</sub> in [Wh/K] ) ist die gesamte Wärmespeicherfähigkeit in der Struktur eines Gebäudes, die von den Innenräumen her zugänglich ist. Das sind in der Regel die Kapazitäten aller innenliegenden Bauteile (z.B. Geschossdecken), sofern diese nicht z,B. durch Abhängungen abgekoppelt sind sowie der Teil der Außenbauteile, der sich "ungefähr" auf Raumtemperatur befindet (es stellt sich heraus, dass das so in etwa die ersten 6 bis 12 cm eines Bauteils nach innen zu sind, sofern nicht bereits zuvor eine wirksame Abtrennung (z.B. Wandteppich) vorhanden ist). Genauer bestimmt werden kann C<sub>eff</sub> durch eine Messung des dynamischen Gebäudeverhaltens oder ein thermisches Modell des Gebäudes inkl. Wärmeübergängen und einzelnen Bauteil-Wärmekapazitäten. Die innere Wärmekapazität (C) bildet zusammen mit dem Wärmeverlustwiderstand (R) nach außen ein sog. RC-Glied. Solche "Verzögerungsglieder" bewirken, dass eine Wohnung nicht unmittelbar nach dem Abschalten einer Heizung auf Außentemperatur abkühlt, sondern erst allmählich entlang einer sogenannten Abklingkurve. Wielang es dauert, bis sich die Temperatur um einen spürbaren Betrag reduziert hat, wird durch die Zeitkonstante ( τ in [h]) ausgedrückt. Diese Zeitkonstante hängt gleichermaßen von der Dämmwirkung der Hülle (R) als auch der effektiven inneren Wärmekapazität (C<sub>eff</sub>) ab; es gilt sogar τ = R⋅C<sub>eff</sub>. Das ist einer der Gründe, warum "Speichern" im Gebäude mit besserem Wärmeschutz immer wirksamer wird. Z.B. können in einem Passivhaus mehrere Tage bei immer noch vernünftigen Temperaturen auch beim Totalausfall der Heizung überbrückt werden . weil die Zeitkonstante so lang ist (wegen des im Passivhaus großen R).
 ==== Der Einfluss der inneren Wärmekapazität auf den Jahresheizwärmebedarf ==== ==== Der Einfluss der inneren Wärmekapazität auf den Jahresheizwärmebedarf ====
  
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   * und die Begrenzung der inneren Wärmelasten   * und die Begrenzung der inneren Wärmelasten
 sind wichtigere Einflussgrößen. Eine fehlende sommerliche Verschattung großer Verglasungen kann z.B. auch durch eine sehr große interne Speicherkapazität nicht ausgeglichen werden. sind wichtigere Einflussgrößen. Eine fehlende sommerliche Verschattung großer Verglasungen kann z.B. auch durch eine sehr große interne Speicherkapazität nicht ausgeglichen werden.
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 +Günstig ist eine hohe Wärmekapazität dann, wenn im Winter die Heizung ausfallen sollte: Eine lange Zeitkonstante sorgt dann dafür, dass solche Phasen (z.B. bei Stromausfall) komfortabler überbrückt werden können. Da die Zeitkonstante auch durch die Dämmwirkung der Hüller verlängert wird, wirkt sich auch dies positiv auf die Sicherheit aus (die Zeitkonstante ist das Produkt aus der inneren Wärmekapazität mit dem Wärmedurchlasswiderstand des Gebäudes nach außen). Diese Tatsachen können auch zur besseren Nutzung der Erneuerbaren Stromerzeugung z.B. durch Windkraft beitragen: Die oft bei mehreren Tagen liegende Zeitkonstante eines Passivhauses erlaubt es, während Windflauten weitgehend auf den Betrieb einer elektrischen Heizung zu verzichten und so die Flauten besser zu meistern. Der geringe Wärmebedarf trägt weiter dazu bei: Notfalls kann ein Passivhaus eben auch mit ein paar Kerzen "geheizt" werden, jedenfalls solange deren Vorrat ausreicht. Bei Altbauten und selbst den meisten Neubauten (bis 2022) kommt der Bewohner damit nicht weit.
  
 ===== Siehe auch ===== ===== Siehe auch =====
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 ===== Literatur ===== ===== Literatur =====
  
-**[AkkP-05]** ** Energiebilanz und Temperaturverhalten**; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase II; Passivhaus Institut; Darmstadt 1997 ({{:picopen:faxb.pdf|Link zur Publikationsliste des PHI}})+**[AkkP-05]** ** Energiebilanz und Temperaturverhalten**; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase II; Passivhaus Institut; Darmstadt 1997 [[https://shop.passivehouse.com/de/products/05-energiebilanz-und-temperaturverhalten-24/|Link zur PHI Publikation]]
  
-**[AkkP-33]** ** Passivhaus-Schulen**; Protokollband Nr. 33 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2006 ({{:picopen:faxb.pdf|Link zur Publikationsliste des PHI}})+**[AkkP-33]** ** Passivhaus-Schulen**; Protokollband Nr. 33 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2006 [[https://shop.passivehouse.com/de/products/33-passivhaus-schulen-51/|Link zur PHI Publikation]]
  
 **[Feist 1993]** Feist, Wolfgang: **Passivhäuser in Mitteleuropa**; Dissertation, Universität Kassel, 1993 **[Feist 1993]** Feist, Wolfgang: **Passivhäuser in Mitteleuropa**; Dissertation, Universität Kassel, 1993
  
-**[Feist 1998a]** Feist, Wolfgang: **Passivhaus Sommerklima-Studie**; Passivhaus Institut, Darmstadt 1998 ({{:picopen:faxb.pdf|Link zur Publikationsliste des PHI}})+**[Feist 1998a]** Feist, Wolfgang: **Passivhaus Sommerklima-Studie**; Passivhaus Institut, Darmstadt 1998 [[https://shop.passivehouse.com/de/products/passivhaus-sommerklima-studie-81/|Link zur PHI Publikation]] 
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 +**[Schnieders 2009]** Schnieders, Jürgen**Passive Houses in South West Europe — A quantitative investigation of some passive and active space conditioning techniques for highly energy-efficient dwellings in the South West European region.** 2<sup>nd</sup> ed., Passivhaus Institut, Darmstadt 2009. [[https://shop.passivehouse.com/de/products/passive-houses-in-south-west-europe-109/|Link zur PHI Publikation]].
  
-**[Schnieders 2009]** Schnieders, Jürgen: **Passive Houses in South West Europe — A quantitative investigation of some passive and active space conditioning techniques for highly energy efficient dwellings in the South West European region.** 2<sup>nd</sup> ed., Passivhaus Institut, Darmstadt 2009. Available from the [[http://www.passiv.de/04_pub/Literatur/MedClim/MedClim_Online_F.htm| PHI website]]. 
  
  
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