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Jahreszeitliche Speicherkonzepte – Übersicht

Für eine erneuerbare Energieversorgung (EE-Versorgung) ist in unseren Breiten die Winterlücke das eigentliche Problem. Dies zeigt sich schon bei einem im Grundsatz jahreszeitlich recht ausgeglichenen Lastverlauf wie dem Haushaltsstrom – und es potenziert sich bei Lasten, die im Schwerpunkt im Winter auftreten, wie z.B. der Heizung.

Wie wir in diesem Beitrag zeigen werden, wird das Problem am kostengünstigsten dadurch gelöst, dass die betreffenden winterzentrierten Verbrauchserzeuger so weit wie möglich durch effiziente Nutzung reduziert werden – das ist exakt die Lösung, die das Passivhaus-Konzept bietet (vgl. dazu vor allem den Abschnitt Konzepte im Vergleich).

Die Energieversorger gehen naturgemäß eine solche Frage zunächst einmal von der Versorgungsseite her an: Wenn es im Winter nicht ausreichend direkte Quellen für EE-Versorgung gibt, so bieten sich versorgungsseitig zwei Lösungsansätze: (A) Der Transport der Energie aus solchen Gebieten der Erde, in denen Energie zu dieser Zeit bereit steht (exemplarisch z.B. durch ein Projekt wie „Desertec“ repräsentiert); diese Lösung entspricht in der Struktur auch in etwa unserer heutigen Situation, in welcher große Energiemengen aus Sibirien und aus dem Nahen Osten nach Europa gebracht werden – der Unterschied ist, dass bei „Desertec“ die gelieferte Energie erneuerbar und CO2-frei ist, freilich auch deutlich teurer als heutiger Strom oder heutiges Erdgas. (B) Die jahreszeitliche Speicherung von Energie, vor allem solcher Energiemengen, die in Zeiten des Überschusses, der bei EE-Anlagen regelmäßig auftritt, erzeugt wurden. Dieses Kapitel befasst sich mit den Möglichkeiten dieser Technologien zur jahreszeitlichen Energiespeicherung.

Wir gehen die Frage ganz grundsätzlich an, um nicht nur den Stand der gegenwärtigen Technik, sondern denkbare künftige Alternativen mit einschätzen zu können: Die Physik kennt vier Grundwechselwirkungen: Gravitation, Elektromagnetismus, schwache und starke Wechselwirkung. Jeweils dazu gehörig kann Energie in Gravitationsform oder kinetischer Energie (mechanische Speicherung), in elektrischen oder magnetischen Feldern und diese in atomarer Dimension nutzend als chemisch gebundene Energie sowie als nukleare Energie gespeichert werden. Während bei letzterer die Energiedichten extrem hoch sind, ist die Technik bis heute sicherheitstechnisch und sozial immer noch als nicht beherrscht einzustufen, und es handelt sich auch nicht um mit EE-Quellen betriebene Speicher; auf die nukleare Option gehen wir daher hier nicht ein.

Mechanische Energiespeicher

Wie gering die Energiedichte, z.B. bei dem in den zweiten Stock gebrachten Klavier ist, überrascht die Erstsemester jedes Mal in der Anfängervorlesung (entspricht einem Heizöltropfen von 6 mm Durchmesser). Gravitationsenergie ist daher nur dann von Relevanz, wenn große Höhen überbrückt und zugleich große Massen bewegt werden – das kann z.B. durch das Pumpspeicherkraftwerk umgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine altbewährte Technologie, die zum Stunden- und Tagesausgleich seit Jahrzehnten erfolgreich und wirtschaftlich attraktiv eingesetzt wird. Die Kosten je kWh gespeicherten Stroms betragen bei einem Tageszyklus eigentlich unter 1 Cent/kWh, die anlegbaren Kosten sind allerdings weit höher und Alpenländer können mit dieser Technik ordentliche Gewinne einfahren – dies wird sich künftig noch verstärken, denn in einer EE-Wirtschaft werden Zwischenspeicher auf Stunden- und Tagesbasis in noch größerem Umfang gebraucht. – Ganz anders sieht es aus, wenn diese Speichertechnik nicht für Tageszyklen, sondern als saisonale Speicher mit nur einem Be- und Entladevorgang („ein Zyklus“) pro Jahr eingesetzt werden soll – von der Begrenzung der Standorte und damit der Kapazitäten einmal abgesehen steigen die Speicherkosten damit auf das mehr als 100-fache; mit deutlich über 2 €/kWh zusätzlichen Stromkosten kommt das Pumpspeicherwerk für eine solche Aufgabe ökonomisch nicht in Betracht (vgl. Tabelle 1). Nun handelt es sich hier um die ökonomisch bei Weitem attraktivste Form der mechanischen Energiespeicherung – Jahresspeicher auf Basis von modernsten Quarzfiber-Schwungrädern könnten jahreszeitlich gespeicherten Strom nur oberhalb von 20 €/kWh liefern - aber selbst das würde nicht funktionieren, weil über so lange Zeiträume sich die Verluste der Schwungradspeicher auf eine nennenswerte Größenordnung summieren würden: Die hohe Effizienz magnetgelagerter Speicher dieser Bauart gilt eben nur für die in der Anwendung gebräuchlichen, in der Regel nur wenige Stunden dauernden Zeitintervalle; selbst bei nur 1% Verlust am Tag ist nach 90 Tagen mehr als 60% der Energie weg.1)

Elektromagnetische Energiespeicher

Auf der Ebene rasch rotierender Neutronensterne (Magnetare) werden enorm hohe elektromagnetische Speicherdichten erreicht – die auf der Erde beherrschbaren elektrischen und magnetischen Felder lassen allerdings nur Energiedichten zu, die so gering sind, dass sich eine technologische Betrachtung für Jahresspeicher erübrigt – in Tabelle 1 sind daher Kondensatoren und supraleitende Magnete gar nicht erst als potentielle Ansätze für die jahreszeitliche Energiespeicherung aufgeführt. Für kleine Energiemengen und kurze Speicherperioden sind sog. „Superkondensatoren“ aber durchaus im Einsatz (z. B. Armbanduhren, Fahrradbeleuchtung). Eine Sonderform der auf Elektromagnetismus beruhenden Speicher sind die chemischen Energiespeicher. Weil die zugehörigen Technologien sich hierzu wesentlich unterscheiden, bekommen diese einen eigenen Abschnitt.

Chemische Energiespeicher A – lagerbare Energieträger

Hier wird die Energie durch Veränderungen im Bindungscharakter der Elektronenhüllen der Moleküle gespeichert. Sie spielt sich daher der Natur gemäß im Bereich einiger eV/Molekül ab – das sind technisch gesehen mehrere kWh je kg bzw. je Liter „Speicherstoff“ und daher relativ große Energiemengen. Zudem sind chemisch stabile Stoffe auch in „reduziertem Zustand“ leicht und kostengünstig speicherbar: Darauf beruht die heutige konventionelle Energiespeichertechnik, bei der Erdgas, Erdöl und Koks in Kavernen, Tanks und Halden zu verschwindend geringen Kosten über ein Jahr bzw. sogar darüber hinaus gelagert werden können. Auch für die Jahresspeicherung von EE sind es chemische Speichermedien, die ökonomisch gesehen überhaupt nur in Frage kommen (vgl. Tabelle 1). Auch hier gibt es freilich ein Problem: die EE liegt, mit der Ausnahme der nur begrenzt verfügbaren Biomasse, nicht in chemischer Form, sondern als Wärme bzw. Strom vor. Während die Umwandlung von Niedertemperatur (NT)-Wärme in chemische Energie nur mit extrem geringen Wirkungsgraden möglich wäre, kommt die Umwandlung von Strom mittels Elektrolyse in H2 und weiter über den Sabatier-Prozess in Methan technisch durchaus in Betracht, allerdings betragen die Umwandlungsverluste dabei rund 20% für den H2 und sogar 35 bis 50 % für weiter umgewandelte Brennstoffe (sog.. 'E-fuels'). Das so erzeugte EE-Gas (erneuerbares Gas) oder EE-Methan erfordert daher etwa die doppelte erneuerbare Produktionsfläche wie bei einer direkten Nutzung und es ist dementsprechend deutlich teurer. Wird das EE-Gas wieder in Strom umgewandelt – was für die strombasierten Prozesse unumgänglich ist – so bieten sich dafür GUD-Kraftwerke (Wirkungsgrade um 55 %), besser noch in Kraft-Wärme-Kopplung (dann um 90 %) an. Ein solches Konzept bietet somit die Perspektive für den Weiterbetrieb bestehender Erdgas-betriebener Fern- und Blockheizkraftwerke auf der Basis von EE-Gas sowie die Nutzung der in der Fläche eingeführten Erdgas-Verteil-Infrastruktur. Investitionen sind „nur“ für die Elektrolyseure und die Synthesegas-Konverter erforderlich2). Dadurch erhöhen sich die Kosten für die Energiebereitstellung (Gas oder Strom) im Winter um ca. 5 bis 15 Cent/kWh, auch abhängig von der Vergütung der „Überschussstrommengen“ aus Wind- und Solarkraftwerken. Wir halten diesen Ansatz für den mit Abstand attraktivsten Weg, in Mitteleuropa auch im Winter ausreichend aus erneuerbaren Quellen gewonnene Energie bereitzustellen. Freilich sind auch hier (durchaus deutlich) über den heutigen Stromkosten liegende kWh-Preise zu erwarten – wodurch sich die zwingende Notwendigkeit besonders effizienter Energienutzungstechnologien vor allem für winterzentrierte Anwendungen ergibt.

Chemische Energiespeicher B – elektrochemische Speicher

Bei den elektrochemischen Speichern (Akkumulatoren) gab es in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Fortschritte. Die technisch verfügbaren Energiedichten konnten dramatisch erhöht werden – sie liegen nun allerdings nahe an der physikalisch erreichbaren Grenze. Insbesondere der Li-Ionen-Akkumulator zeichnet sich durch hohe Energiedichte, geringe Verluste und gute praktische Einsetzbarkeit (auch wegen des geringen Gewichtes) aus; in allen mobilen Anwendungen ist dies daher die erste Option (Mobiltelefone, Notebooks, Fahrzeug-Akkus). Allerdings ist dieser Akku deutlich teurer als der „altherkömmliche“ Bleiakku (vier- bis zehnfache Kosten je kWh), welcher bereits (als Jahresspeicher verwendet) auf um 6 bis 10 €/kWh(beim Endverbraucher) kommt. Auch wenn es in diesem Bereich weitere Fortschritte um einen Faktor bis zu 10 geben sollte, wird dies zwar die mobile Anwendung revolutionieren, jedoch keine praktische Bedeutung bei der Jahresspeicherung von Energie erlangen – große nur saisonal genutzte Akku-Batterien im Keller eines „energieautarken Hauses“ sind ökonomisch gesehen unattraktiv.

Thermische Energiespeicher

Der Warmwasserspeicher (arbeitet etwa im Bereich von Tageszyklen) ist eine bewährte und ökonomisch sinnvolle Technologie und insbesondere in einem auf EE beruhenden Szenario zum Ausgleich von Tagesschwankungen unverzichtbar. In der Regel operieren diese Speicher mit dem Medium Wasser bei Temperaturspannen zwischen 10 und maximal 90°C und haben Volumina von einigen 100 Litern. Für Fernwärmenetze können die Temperaturen auch noch etwas höher liegen.

Tabelle 1:
Technologien für die Energiespeicherung im Vergleich

Die Physik hält Speicherprinzipien in allen Energieformen vor: (1) mechanisch, (2) elektrisch, (3) magnetisch, (4) chemisch, (5) nuklear, (6) thermisch.

Die Energiedichten sind bei technisch möglichen Speichern nach (2) und (3) so gering und die Kosten so hoch, dass diese außerhalb jeder Diskussion für wirtschaftlich anwendbare Jahresspeicher liegen.

Nukleare Speicher (5) werden hier nicht diskutiert.

Die Tabelle zeigt, dass bis auf wenige (im Text zu diskutierende) Ausnahmen die Speicher zu zusätzlichen Speicherkosten je kWh nutzbare Energie von weit über 1 € führen, wenn der Speicher in nur einem Zyklus je Jahr be- und entladen wird. Bis auf die Ausnahmen: Wasserstoffspeicher, Methangasspeicher sowie thermische Speicherung im Erdreich bietet die Physik keine ökonomisch auch nur entfernt attraktiven Prinzipien für die jahreszeitliche Energiespeicherung.

Technische Verbesserungen sind möglich, liegen aber jeweils im Bereich von ca. einem Faktor 2 bis maximal 10 – die Grenzen sind physikalischer Natur.


Die für den Tageszyklus bewährte Technik ist immer wieder auch für den Einsatz als Jahresspeicher versucht worden [Dalenbäck 1985][Kriesi 1989][Hinz 1994]. Bei einer 90°C / 30°C Temperaturspreizung benötigt ein herkömmliches Gebäude (HWB 160 kWh/(m²a)) ein Speichervolumen von um 150 m³, eine Dimension, die nicht nur an den Kosten, sondern auch am enormen Platzbedarf scheitert. Vorrangig muss hier zunächst der Heizwärmebedarf reduziert werden, was z.B. mit dem Passivhaus auf 15 kWh/(m²a) gelingt. Die Winterlücke beträgt dann nur noch 900 kWh/a – und lässt sich aus einem 15 m³ umfassenden Heizwasserspeicher decken. Dabei müssen zunächst einige technische Probleme überwunden werden, unter denen einige der Demonstrationsprojekte immer wieder erneut gelitten haben. Dies betrifft die wirksame Wärmedämmung solcher Speicher (diese muss im Bereich von Dämmdicken zwischen 0,5 und 1 m liegen3) – das erhöht den Platzbedarf und die Kosten nicht unerheblich). Technisch möglich ist auf diesem Weg das heizenergieautarke Haus durchaus und das wurde auch mehrfach demonstriert – die Kosten für die thermische jahreszeitliche Energiespeicherung liegen aber bei um 1 €/kWh und sind somit viel zu teuer für ein breit einsetzbares Konzept. Mit Speichergrößen für ganze Siedlungen sollten nach der Vorstellung einiger Ingenieure die Kosten in einen akzeptablen Bereich sinken [Fisch 2001]. Allerdings kommen dann die Kosten der Nahwärmeverteilung dazu. Die betreffenden Projekte haben das bisher an keiner Stelle überzeugend demonstriert. < Ergänzung 2022: In den skandinavischen Ländern gibt es jetzt erneut einige Pilotprojekte, bei denen sehr große Warmwasser-Speicher eingesetzt werden, welche in bestehende Wärmenetze einspeisen. Die versorgten Gebäude haben dabei, wie in Skandinavien überall selbstverständlich, Niedrigenergiestandard (mit um 60 kWh/(m²a) etwa halb so hoch wie die durchschnittlichen Werte in Deutschland). Die zugehörigen Kosten sehen nach ersten Analysen vor dem Hintergrund stark gestiegener Gas- und Ölpreise durchaus akzeptabel aus. Der Platzbedarf dieser Anlagen ist allerdings hoch. Baurecht für eine große Zahl solcher Großspeicher zu erlangen dürfte in Mitteleuropa nicht einfach sein - es handelt sich hier aber durchaus um eine technisch umsetzbare Option. >

Der Umstieg von Wasser auf andere Speichermedien erhöht die Kosten je nutzbarer kWh in aller Regel (Ursache: Wasser hat die höchste sensible Wärmekapazität aller einsetzbaren Medien {da Ammoniak nicht in Frage kommt} und ist zudem billig). Auch die immer wieder als Neuheit gepriesenen Latentwärmespeicher (heute oft „Phase Change Materials“ genannt) führen letztlich zu höheren Kosten, in diesem Fall vor allem, weil die Be- und Entladetechnik aufwändiger wird. Eine interessante Möglichkeit ist die Nutzung des Erdreichs unter dem Haus als Speicher – dies ist sogar kostengünstiger als ein Wasserspeicher möglich. Allerdings steigen die Verluste erheblich an, da eine Dämmung der Sole ökonomisch ausgeschlossen werden kann. Es zeigt sich, dass ein solches Konzept überhaupt nur bei Gebäuden mit noch geringerem HWB als dem Passivhaus technisch erfolgreich sein kann – dann jedoch durchaus funktioniert (vgl. auch den Abschnitt Konzepte im Vergleich). Auch dies wurde technisch bereits erfolgreich demonstriert - während entsprechende Konzepte mit weniger effizienten Gebäuden regelmäßig in der Praxis weit ungünstiger abgeschnitten haben als ursprünglich projektiert.

Siehe auch

Vorhergehende Abschnitte

Energiekonzepte – das Passivhaus im Vergleich - Einführung, Ansätze für die Diskussion und Literaturangaben

Jahreszeitliche Speicherkonzepte – Übersicht

Nachfolgender Abschnitt

1)
Dieses 'Problem' haben grundsätzlich alle Langzeit-Energiespeicher. Bei Brennstoffen wie Gas, Öl oder Kohle besteht das Problem nicht, weil die Verluste währende der Lagerung bei diesen extrem gering sind. Das deutet bereits an dieser Stelle darauf hin, dass eine überhaupt technisch praktikable Lösung für saisonale Speicher in größerem Umfang nur auf Basis relativ stabiler chemischer Substanzen realistisch ist.
2)
Sog. Sabatier-Prozess
3)
sonst sind die Wärmeverluste solcher Speicher so hoch, dass der Speicher schon im November leer ist
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