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Energiekonzepte – das Passivhaus im Vergleich

Gebäudeenergiekonzepte, Grundlegendes

Dank des technischen Fortschritts der vergangenen Jahrzehnte steht heute eine große Vielfalt unterschiedlicher energetischer Konzepte zur Versorgung von Wohngebäuden mit Energiedienstleistungen zur Verfügung. Im Rahmen dieses Beitrages sollen im Schwerpunkt solche Konzepte behandelt werden, die eine nachhaltige Versorgung ermöglichen. Dafür erwarten wir von einem Konzept die Erfüllung der folgenden Kriterien:

  • Alle von den Nutzern geforderten Dienstleistungen müssen jederzeit vollständig erfüllt werden. Als Referenz wird die heute übliche Versorgung (Deutschland 2013) verwendet.
  • Der Komfort muss optimal gewährleistet sein (thermischer Komfort gemäß [ISO 7730]).
  • Alle benötigte Energie muss aus erneuerbaren Energiequellen innerhalb eines europäischen Versorgungskonzeptes 1) gedeckt werden können (z.B. 2060). Dabei werden (um auf der sicheren Seite zu bleiben) ausschließlich heute verfügbare Technologien eingesetzt, eine Orientierung liefert [Nitsch 2012].
  • Die erneuerbare Energieversorgung, deren Aufbau für das europäische Konzept erforderlich ist, muss mit einem vertretbaren ökologischen Aufwand (betrifft v.a. die Landnutzung) erreicht werden können.
  • Weitere ökologische Belastungen, die über die heute im Durchschnitt von Wohngebäuden üblichen hinausgehen, dürfen nicht auftreten (betrifft v.a. auch wiederum die Landnutzung), z.B. keine Kollateralschäden durch Konkurrenz zu Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung.

Nicht zu den Nachhaltigkeitskriterien im strengen Sinn gehören soziale und ökonomische Bewertungen: Dennoch sind diese von Bedeutung und hängen bei der Frage der Gesamtkosten des jeweiligen Konzepts zusammen. Gerade die individuellen Kosten sind letztendlich auch heute noch ein entscheidendes Kriterium für die Investoren, die entsprechende Projekte realisieren. Methodisch gehen wir daher wie folgt vor:

  • Schritt 1: Es werden Konzepte identifiziert, welche die oben genannten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen (Basisvoraussetzung).
  • Schritt 2: Die Konzepte werden mit der Haupteinflussgröße (das ist der Jahresheizwärmebedarf der Objekte) parametrisiert.
  • Schritt 3: Es werden die kapitalisierten Gesamtkosten für die Versorgung mit Energiedienstleistungen in Abhängigkeit vom Jahresheizwärmebedarf ermittelt und dargestellt.
  • Für alle Konzepte werden die (betriebswirtschaftlich) optimalen Kosten ermittelt, diese dienen den ansonsten „ceteris paribus“ (weil nachhaltig) betrachteten Konzepten als Vergleichsmaßstab.

Zugrunde liegt die gleiche zweigeschossige Doppelhaushälfte am Standort Frankfurt mit 149 m² Wohnfläche und 4 Personen wie im Artikel Passivhaus-Effizienz macht die Energiewende wirtschaftlich. Als absolutes Vergleichssystem dient das gleiche Objekt mit einer (nicht nachhaltigen) Erdgasheizung.

Weiterführende Abschnitte für Mitglieder der IG Passivhaus

Ansätze für die Diskussion

Aus den Untersuchungen der Gebäude-Energiekonzepte lassen sich eine Reihe von Erkenntnissen ableiten, die für die Strategie der Energiewende von Bedeutung sind:

Tatsächlich lassen sich neue Wohngebäude in Mitteleuropa heute so bauen, dass sie vollständig aus erneuerbaren Energiequellen versorgt werden können (energetisch nachhaltig).

Unter den energetisch nachhaltigen Varianten sind jene sogar ökonomisch darstellbar, die (a) ausreichend effizient und (b) auf das vorhandene Stromnetz zur Einkopplung breiter gestreuter Erzeuger und jahreszeitlicher Speicher setzen.

Bei allen hier diskutierten Alternativen ist die bauliche energetische Effizienz mindestens auf dem Niveau des Passivhausstandards umzusetzen, wenn die Projekte ökonomisch tragbar bleiben sollen. Auch alle in [Feist 2013a] genannten Potentiale zu effizienten Stromnutzung sind primär umzusetzen.

Sogar vollständig auf dem Grundstück energieautarke Lösungen sind heute bei Gebäuden mit weniger als drei Vollgeschossen möglich, wenngleich deutlich teurer und weniger umweltfreundlich als die Lösungen im Netzverbund 2).

Wärmepumpen zur Heiz- und Warmwasserversorgung erweisen sich als die ökonomisch und ökologisch sinnvollsten Lösungen, allerdings ist von teuren Systemen abzuraten. Ideal ist die Lösung mit Kompaktgerät, aber das gilt am Markt erst dann, wenn die Investitionskosten um gut 1200 € gesenkt werden können. Hier muss ein Schwerpunkt der Entwicklung in den kommenden Jahren liegen – das Passivhaus Institut (PHI) hat dazu Vorschläge erarbeitet.

Zur Bewertung der Konzepte eignet sich der bislang verwendete Primärenergiebedarf nicht mehr, da er zu sehr mit der Struktur der fossilen Energieversorgung verwoben ist. Dieser Maßstab würde sich zudem künftig innerhalb weniger Jahre jeweils dramatisch verschieben. Das PHI schlägt vor, stattdessen mit einem Primärenergiebedarf auf der Basis eines künftigen komplett nachhaltigen Energieversorgungssystems zu bewerten.

Naive „Konzepte“ auf der Basis einer Netto-Jahres“bilanz“ sind irreführend und unehrlich. Erneuerbarer Überschussstrom kann zur Deckung von Bedarfswerten im Winter mittels des EE-Gas-Konzeptes herangezogen werden, allerdings ist dies mit erheblichen zusätzlichen Verlusten verbunden (in der Größenordnung 66 %). Eine Bilanzierung muss diese geringere Bewertung von Überschussstrom einbeziehen.

Acknowledgements: Dieser Beitrag verwendet die in Protokollband Nr. 42 Ökonomische Bewertung von Energieeffizienzmaßnahmen des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser niedergelegte Methodik für die ökonomische Analyse. Er baut auf Ergebnissen aus Protokollband Nr. 46 Nachhaltige Energieversorgung mit Passivhäusern des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser auf und führt diese weiter.

Literatur

[AkkP 42] Feist, W. et al: Ökonomische Bewertung von Energieeffizienzmaßnahmen. Protokollband zur 42. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser. Darmstadt 2013

[AkkP 46] Feist, W.; Krick, B.: Nachhaltige Energieversorgung mit Passivhäusern. Protokollband zur 46. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser. Darmstadt 2012

[Dalenbäck 1985] Dalenbäck, J.-O.; Jilar, T.: Swedish solar heating with seasonal storage - design, performance and economy, International Journal of Ambient Energy; Volume 6, Issue 3, 1985 pages 123-128

[Feist 2013a] Feist, W.: Passivhaus-Effizienz macht die Energiewende wirtschaftlich; in: Tagungsband der 17. Passivhaustagung, Darmstadt 2013

[Fisch 2001] Fisch, N.: Solarsiedlungen in Deutschland; Institut für Städtebau Berlin, 424. Kurs, Oktober 2001, Berlin

[Hinz 1994] Hinz, E.; Werner, J.: Meßdatenerfassung und Auswertung beim ökologischen Nullenergiehaus Dörpe“; Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt 1994

[ISO 7730] DIN EN ISO 7730: Gemäßigtes Umgebungsklima Ermittlung des PMV und des PPD und Beschreibung der Bedienungen für thermische Behaglichkeit, 1995-09.

[Korsgaard 1976] Korsgaard, V.; Byberg, M.R.; Esbensen, T.V.; Bilde, K.; Harboe, K.P.; Helweg-Larsen, K.; Nygaard, I. and Kjerulf-Jensen, P.: DTH-Nul-Energihus; Danmarks Tekniske Højskole 1976

[Kriesi 1989] Kriesi, R.: Null-Heizenergie-Konzept in einer Siedlung in Wädenswil; Schw. Ingenieur und Architekt Nr. 45/1989

[Nitsch 2012] Nitsch, J. et al: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, Stuttgart 2012

Siehe auch

Übersicht aller Beiträge zur 17. Internationalen Passivhaustagung 2013 in Frankfurt am Main

Tagungsband zur 17. Internationalen Passivhaustagung 2013 in Frankfurt am Main

Übersicht der Passipedia-Artikel zur Nachhaltigen Energieversorgung mit Passivhäusern

Übersicht der Passipedia-Artikel zur Energiewirtschaft und Ökologie

1)
Dieser Beitrag konzentriert sich zunächst auf die Situation in Europa. Das Passivhaus hat darüber hinaus den Vorteil, dass es auch für andere Regionen verfügbar und zielführend ist. Allerdings sind dort die Randbedingungen bzgl. der erneuerbaren Energie meist sehr unterschiedlich.
2)
Interessant ist jedoch, dass die Lösung mit Passivhaus und Erdreichspeicher immer noch geringere Lebenszykluskosten aufweist als das heute häufig realisierte Einfamilienhaus, das gerade die EnEV einhält und mit Erdgas beheizt wird.
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