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grundlagen:nachhaltige_energieversorgung_mit_passivhaeusern:passivhaus_-_das_naechste_jahrzehnt:ermittlung_anwendungsspezifischer_per-faktoren

Ermittlung anwendungsspezifischer PER-Faktoren

Es stellt sich heraus, dass die aufzubauende Versorgungsstruktur und deren Effizienz entscheidend von den mittleren Lastkurven der zu versorgenden Verbraucher abhängt - kurze Schwankungen im Bereich von wenigen Tagen spielen dabei letztlich eine weniger bedeutende Rolle1), da für deren Ausgleich die Netz-Medium-Speicher zur Verfügung stehen (z.B. Pumpspeicherkraftwerke). Anders liegt der Fall, wenn eine Anwendung einen saisonal stark schwankenden Bedarf hat, welcher z.B. über einen Zeitraum von mehreren Monaten auf Null zurückgeht, wie z.B. die Heizung. Für die mit den zugehörigen Primärstromquellen (z.B. Windkraftanlagen) erzeugte Energie gäbe es nun zunächst keine Nutzung - das ändert sich aber, wenn dieser „Überschussstrom“ der PtG-Anlage zugeführt, und daraus EE-Methan erzeugt wird. Die Bedingung für die Vollversorgung ist:

PEprim = Edir + EMS / ηMS + ELS / ηLS + ELV

worin Edir der direkt zeitgleich vom Gebäude von den erneuerbaren Primärstromerzeugern verwendbare Strom, EMS der aus dem Kurzzeit/Mediumspeicher entnommene Strom und ELS aus dem Saisonspeicher rückverstromte Strom sowie ELV die Leistungsverluste sind. ηMS und ηLS sind die jeweils zugehörigen saisonalen Gesamt-Wirkungsgrade. Den PER-Faktor kann man daraus einfach durch

PER = (Edir + EMS / ηMS + ELS / ηLS + ELV ) / (Edir + EMS + ELS )

bestimmen. Es stellt sich heraus, dass die so bestimmten PER-Faktoren vergleichsweise stabil gegenüber z.B. Veränderungen des Primärstrommixes oder der speziellen verwendeten Technologie sind, jedoch stark von der jeweiligen Energieanwendung und deren Bedarfsprofil abhängen.

Haushaltsstromverbrauch HHel

In diesem Papier wird unter Haushaltsstrom der gesamte Stromverbrauch des Haushaltes abzüglich des Stroms für die Warmwasserbereitung, die Heizung und die Klimatisierung verstanden, er umfasst also (u.a):

  • den Strom für die gesamte weiße Ware (Kühlschrank, Kühlgerät, Wasch- Spülmasche und evtl. Trockenschrank, Koch- und Küchen-Geräte),
  • Lichtstrom,
  • Elektronik (z.B. Fernsehgeräte und IT-Technik),
  • Steuer- und Regeltechnik inkl. der Pumpen,
  • Strombedarf des Lüftungsgerätes

Bild 6 zeigt, wie der PER-Faktor für die Haushaltsstromversorgung vom dafür verwendeten Primärstrom-Mix abhängt: Bei 90 % Wind beträgt er um 1,75 kWhPER/kWhel, bei 90% PV 1,5 kWhPER/kWhel. Im Verlauf wird bei der hierfür „idealen Mischung“ 54 % PV, 36 % Wind und 10 % Wasserkraft ein PER-Faktor von 1,39 kWhPER/kWhel. erreicht. Mit PERHHel = 1,4 kWhPER/kWhHHel schlagen wir für die Bewertung einen etwas auf die sichere Seite aufgerundeten Faktor vor2). Dieser PER-Faktor ist vergleichsweise gering, d.h. Haushaltstrom kann sehr gut auf der Basis von erneuerbaren Primärstromerzeugern bereitgestellt werden, fast die gesamte Pufferung erfolgt über die Verbesserung der Gleichzeitigkeiten im Netz und über die Kurzzeit-Netzspeicherkapazitäten, bei denen es allerdings eines Zubaus bedarf. Bei weniger als 106 h Speicherzyklus sind die Kosten dieser Speicherung allerdings noch gering. Die Speicherkapazität für den Saisonspeicher (mit etwas mehr als zwei Zyklen, aber schlechtem Wirkungsgrad) beträgt hier nur 11 % des Bedarfs an Haushaltsstrom; das zugehörige Speichervolumen ist mit unter 62 Nm³ (Normalkubikmeter) gering, das gleiche gilt für die erforderliche Umwandlungsinfrastruktur. Diese wäre leicht komplett an den Standorten von regionalen GUD-Kraftwerken für die Rückverstromung unter zu bringen; die Verbindung mit dem unterirdischen Methan-Speicher erfolgt über das Methangas-Netz (das heutige Erdgasnetz kann hierzu weiter genutzt werden3)).

Bild 6:
Erforderliche erneuerbare Primärenergie (Primärstrom) PEE für den gesamten Haushaltsstrombedarfs durch PV, Wind- und Wasserkraft (bei hoher Effizienz)


In Bild 7 ist benötigte äquivalente Fläche an erneuerbaren Erzeugern dargestellt die erforderlich würde, um den gesamten Haushaltsstrombedarf zu decken. Es zeigt sich bei einem Solaranteil von 35 - 75 % ein (sehr flaches) Optimum bei nur etwa 35 m². Die tatsächliche PV-Fläche würde (mit 55 % Anteil) bei 19 m² liegen. Eine solche Fläche ist fast immer in der engeren Umgebung des betreffenden Gebäudes, meist auf dem Dach direkt, unterbringbar.

Bild 7:
Größe der äquivalenten PV-Strom-Anlage (Primärstrom) um den gesamten Haushaltsstrombedarf durch PV, Wind- und Wasserkraft (mit Pufferspeicher im Netz und Saisonspeicherung durch EE-Methan) bei hoher Effizienz decken zu können.


Warmwasserstromverbrauch WW-WP

Es werden ein Standard-Zapfprogramm auf der Basis eines 4-Personen-Haushaltes und eine Warmwasserwärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5 zugrunde gelegt, mit der sich der Jahresstromverbrauch für die WW-Bereitung zu 1123,5 kWh/a ergibt [AkkP 49]. Die Wärmepumpe verfügt über einen (grauen) Wasserspeicher mit einem nutzbaren Volumen von 260 Liter. Dadurch kann die Laufzeit der Wärmepumpe in einem hohen Maß an die Verfügbarkeit von direktem erneuerbaren Primärstrom angepasst werden - sie liefert sozusagen einen „Speicher“ mit. Diese Speicherfähigkeit wird im zugrundgelegten Modell optimal (für das Gesamtnetz!) ausgenützt, d.h. es wird unterstellt, dass künftig ein ideal funktionierendes „Smartgrid“ aufgebaut ist und von den Nutzern auch verwendet wird.

Bild 8 zeigt die aus der Simulation resultierenden PER-Faktoren in Abhängigkeit vom Anteil des PV-Stroms am Erzeugungsmix für die Warmwasserbereitung. Es zeigt sich ein schwach ausgeprägtes Optimum bei etwa 55 % PV-Anteil. Wegen des verfügbaren lokalen Speichers kommt dieses Teilsystem mit sehr geringem Rückgriff auf die saisonale Speicherung (nur 10 Nm³ Methan) aus. Der Faktor PERWW-WP ergibt sich mit einem kleinen Sicherheitszuschlag zu 1,23 kWhPER/kWhel; dies zeigt eine gute Eignung erneuerbaren Stroms für die Warmwasserbereitung4). Eine äquivalente PV-Fläche von knapp 8 m² reicht aus, um den gesamten Warmwasserbedarf inkl. der Umwandlungsverluste zu decken.

Bild 8:
Erforderliche erneuerbare Primärenergie (Primärstrom) PER für den Warmwasser-Strombedarf WW-WP durch Solar-, Wind- und Wasserkraft (Netz-Pufferspeicher / Saisonspeicherung EE-Methan); Warmwasser-Wärmepumpe mit Saisonarbeitszahl 2,5


Heizstromverbrauch Heiz-WP

Hier wird für das Beispiel - Passivhaus eine Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 2,53 zugrunde gelegt, mit der sich ein Jahresstromverbrauch für die Heizung von 1080 kWh/a ergibt.

Der Heizstrom erweist sich als das „Sorgenkind“ des EE-Versorgungssystems, da er innerhalb mehr als eines halben Jahres nicht auftritt (Sommer!) und einen ausgeprägten Leistungsbauch während des Winters aufweist. Bei konventionellen Gebäuden (inkl. Niedrigenergiehäusern) ist zudem der Verbrauch an Heizstrom deutlich höher als alle anderen Stromverbräuche. Zwar liefern Windkraftanlagen an der Küste im Winter (geringfügig) mehr Strom, dennoch ist die saisonale Gleichzeitigkeit der Primärstromerzeugung mit dem Lastverlauf des Heizenergiebedarfs unausgewogen. Die Heizung kann nur zu einem geringeren Anteil (trotz der hohen Zeitkonstante von Passivhäusern) aus direktem Primärstrom betrieben werden. Für die Kurzzeitspeicherung werden hier allerdings das Netz und der Medium-Speicher nicht in Anspruch genommen, da bei einem Passivhaus innerhalb von je etwa 3 Tagen die Zeitpunkte für den Betrieb der Heizung weitgehend frei - und das heißt orientiert am Stromangebot - gewählt werden können. Zu bedenken ist dabei allerdings auch, dass das Wärmebereitstellungssystem im Gebäude dann über eine entsprechend erhöhte Leistung verfügen muss; im Passivhaus, bei um 1,5 kW regulärer Maximalheizlast, ist das durchaus umsetzbar; bei Gebäuden mit höherer Heizlast (NEH etwa das Dreifache) würden dann schon so hohe Leistungen erreicht, dass allein deshalb eine solche Regelstrategie nicht ratsam ist (außerdem würde die Temperaturamplitude des zeitlichen Heizzyklus stark steigen). Trotz aller dieser Optionen steht auch bei Passivhaus-Standard insgesamt im Winter zu wenig Primärstrom für die Heizung zur Verfügung.

Es liegt nahe, für die Heizstromversorgung vor allem Windkraft zu bauen (vgl. Bild 9); 10 bis 50 % PV-Anteil sind aber akzeptabel, die PER-Faktoren betragen dann gerundet

PERHeiz = 2,2 kWhPER/kWhHeiz,

die Heizung erfordert damit einen erheblich höheren Aufwand bei der Erzeugung, Umwandlung und Speicherung der Energie. Dies gilt, wenn sich die Strombereitstellung auf die unmmittelbare Region um den Standort (Würzburg) beschränkt - im übergeordneten Gesamtnetz können inkl. der dort besser verfügbaren Wasserkraft PER-Werte um 1,7 bis 1,9 kWh/kWh erreicht werden. Umgekehrt steigt der PER-Faktor mit 90 % regional erzeugter PV als Primärstromquelle für die Heizung sogar auf über 2.6 kWhPER/kWhHeiz. PV-Systeme sind damit für die Anwendung bei der Heizung nicht sonderlich gut geeignet. Auch dies unterstreicht wieder die Zweckmäßigkeit des Verbundes vieler Erzeuger und Verbraucher im Netz. Im vorliegenden Fall wäre es ratsam, der Baufamilie die Investition in einen Anteil an einer Windkraftanlage zu empfehlen - genau dieses Konzept ist bereits 1998 bei der ersten klimaneutralen Wohnsiedlung in Hannover am Kronsberg realisiert worden und hat sich dort bewährt [Peper/Feist 2001].

Der Installationsbedarf für erneuerbare Erzeuger zur Deckung des Heizwärmepumpen-Strombedarfs beträgt für das Passivhaus etwa 22 m² „äquivalente PV-Fläche“, die allerdings in diesem Fall weitgehend durch einen entsprechenden Windkraftanteil gestellt wird. Die Füllung des Winterloches durch im Sommer per PtG-Prozess erzeugtem und gespeichertem Methan erfordert hier mindestens 72 Nm³ Speichervolumen bei Normalbedingungen. Die zugehörigen Speicher stünden dafür schon heute zur Verfügung (selbst wenn für alle Gebäude das Heizsystem Wärmepumpe gewählt würde), die Elektrolyse- und Methansynthese könnte auch hierfür ohne Weiteres an den Standorten der GuD-Kraftwerken für die Rückverstromung untergebracht werden. Dies geht aber nur deswegen so einfach, weil der Heizwärmebedarf bei Passivhäusern sehr gering ist. Das Bild wandelt sich gewaltig, wenn statt des Passivhauses ein Niedrigenergiehaus mit 56 kWh/(m²a) Heizwärmebedarf realisiert wird. Der Heizstrombedarf für den Betrieb der Wärmepumpe steigt dann auf 3631 kWh, der PERHeiz-Faktor bleibt auf etwa gleichem Niveau und die erforderliche äquivalente erneuerbare Primärstromerzeugerfläche beträgt nun 67 m²-äquivalent allein für die Heizung.

Bild 9:
Erforderliche erneuerbare Primärenergie (Primärstrom) PER für Heizwärme-Strombedarfs Heiz-WP im Passivhaus durch Windkraft und PV (Netz-Pufferspeicher / saisonal: EE-Methan); Heizungs-Wärmepumpe mit Saisonarbeitszahl 2.53 (Deutsches Testref.-Jahr 12 mit ausschließlich regionaler Stromerzeugung. Unter Einbindung des überregionalen Stromnetzes werden die Werte noch günstiger (um 1,7 bis 1,9 kWh/kWh)


Kühlung mit elektrisch betriebenen Kompressoren

Die zeitliche Korrelation zwischen einem evtl. bestehenden Kühlbedarf und der direkten Primärstromerzeugung durch PV-Anlagen sieht auf den allerersten Blick gut aus - im Sommer.

Die verbleibende erneuerbare Stromerzeugung in den Jahreszeiten, in denen die Kühlung nicht gebraucht wird, kann in jedem Fall zu ebenfalls 100 % direkt durch andere Anwendung (wie z.B. der dringend benötige Strom für Wärmepumpen-Heizungen) verwendet werden und reduziert dort den aus Speichern benötigten Strom. Der Faktor beträgt für die isolierte Anwendung „Kühlung“

PERk,is = 2,5 kWhPER/kWhel,

dagegen ergibt sich der marginale Wert aufgesetzt auf den Gesamtstromverbrauch zu nur etwa 0,5 kWhPE/kWhel (weil nun auch mehr Strom für die Heizung direkt erzeugt wird und daher weniger Speicherverluste auftreten).

Dies führt auf eine Erkenntnis, die bisherige Prioritäten bzgl. des Gebäudeentwurfs spürbar verändert: Der Energiebedarf für eine evtl. Kühlung ist künftig aus erneuerbarer Energie ökologisch weit unproblematischer und ökonomisch günstiger bereitstellbar als Heizwärme für die Heizung. Da für die Gebäudekühlung außerdem in Mitteleuropa regelmäßig dasselbe Wärmepumpen-System eingesetzt werden kann, das auch für die Heizwärme gebraucht wird (und in einem Passivhaus sogar das gleiche Verteilsystem) reduziert sich der technische Aufwand für die Kühlung ebenfalls ganz erheblich. Daraus ergeben sich vier Konsequenzen:

1. Unter Beachtung der zunehmend höheren Hitzebelastung im Sommer auch in Mitteleuropa wg. des Klimawandels können wir den Menschen, die sich in Gebäuden auf Passivhaus-Niveau aufhalten, künftig ohne schlechtes ökologisches Gewissen und ohne enorme Kosten ein thermisch behagliche inneres Raumklima auch im Sommer bieten.

2. Der Kühlbedarf sollte selbstverständlich nicht unnötig erhöht sein - alle technischen Ratschläge wie sie z.B. in AkkP 22, 31 und 41 gegeben wurden, um den sommerlichen Energieeintrag zu begrenzen, bleiben nach wie vor gültig. Allerdings: Die Optimierung wird besser auf minimalen Kühlkältebedarf mit dem Blatt Kühlung des PHPP durchgeführt, als mit dem Blatt Sommer zur passiven Optimierung.

3. Besonders teure Maßnahmen zur passiven sommerlichen Optimierung - wie z.B. aufwendigere Luftführungen, große Kanalquerschnitte oder besondere Kühltürme u.ä. könnten sich künftig immer weniger lohnen, da der geringe Unterschied durch eine PV-betriebene Klimatisierung ökologisch und ökonomisch günstiger realisiert werden kann.

4. Im Falle von direkter Konkurrenz von Maßnahmen zur Heizwärme- bzw. Kühlkälte-Einsparung hat man bisher in Mitteleuropa regelmäßig die Kühlkälte vorrangig reduziert. Diese Priorität kehrt sich künftig um, da Kühlkälte mit insgesamt geringerem ökonomischen und ökologischen Aufwand bereit gestellt werden kann (bei Jahresarbeitszahl 2,5 einer Heizungswärmepumpe ergibt sich mit dem PERHeiz-Faktor von 2,2 eine Heizungs-Primärenergie-Aufwandszahl von 0,88 kWhPER/kWhNutz; bei der Kühlung mit einer Kühlarbeitszahl von 2,5 und einem marginalen PER-Faktor für PV-Kühlstrom von 0,5 eine Kühlung-Primärenergie-Aufwandszahl von nur 0,20 kWhPER/kWhNutz).

Diese Erkenntnisse sind brisant - war doch in der Vergangenheit die Optimierung auf eine konsequente Vermeidung von Anlagen zur Klimatisierung oft ein von Umweltverbänden und der Politik vorrangig verfolgtes Ziel. Nun ergibt sich aus der Sachlage heraus die Notwendigkeit, dass diese Haltung in einer nachhaltigen Versorgungsstruktur reflektiert werden muss.

EE-Methan

Die Erzeugung von EE-Methan wird bei einem Umwandlungswirkungsgrad von 57 % aus Primärstrom mit

PERCH4 = 1,75 kWhPER/kWhMethan

möglich. Wir beschränken den Begriff EE-Methan hier bewusst auf das aus Wind- oder PV-Kraftwerken als Primärstrom synthetisierte Methan (den Biogas-Anteil bilanzieren wir aus Budgetgründen gesondert, vgl. nächster Abschnitt). Dieser erneuerbare Primärenergiefaktor ist fast gleich hoch wie der für Heizstrom - das ist nur auf den ersten Blick paradox; denn, wird EE-Gas z.B. für die Heizung verwendet, so muss es zunächst vollständig aus Primärstrom unter Verlusten synthetisiert werden. Wird dagegen die Energie aus dem erneuerbaren Stromnetz bezogen, so stammt sie auch bei der Anwendung Heizung immer noch überwiegend aus der Primärstromerzeugung; nur der (bei der Heizung nicht unbedeutende) „Rest“ muss auf dem Umweg über die EE-Gas-Speicherung und mit zusätzlichen Verlust bei der Rückverstromung gewonnen werden.

Aus dem sehr hohen PEE-Faktor für den Brennstoff Methan ergibt sich offensichtlich, dass sich z.B. eine Wärmeerzeugung mit einem Heizkessel zur Warmwasserbereitung verbietet. Sogar eine direktelektrische Warmwasserbereitung ist in einer erneuerbaren Struktur effizienter - und mit einer WW-Wärmepumpe ergeben sich um einen Faktor 3 bis 4 niedrigere Primärstromaufwendungen. Auch bei der Heizung ist jede Wärmepumpe nun deutlich günstiger als ein mit Brennstoff betriebenes System. Diese sind für eine Übergangszeit noch tolerierbar - sollten aber bei jeder sich ergebenden Gelegenheit durch Wärmepumpensysteme ersetzt werden.5) EE-Methan wird vor allem als leicht speicherbarer Brenn- und Treibstoff für mobile Anwendungen (einfache Umwandlung in Methanol) benötigt und kann dort auch höhere Erlöse erbringen - sowie für die zwingend erforderliche Rückverstromung, am besten in KWK-Einheiten mit GuD-Stromerzeugern.

Biogas, Brennholz und die Biomasse-Budgetierung

Biogas wird in diesem Szenario ebenfalls auf die Methan-Komponente gereinigt und in das gleiche Gasnetz eingespeist wie das im vorausgehenden Abschnitt behandelte EE-Gas. Es könnte somit auch im Mix mit dem Solargas und dem Windgas mit einem durchschnittlichen PER-Faktor versehen werden. Dieses Vorgehen würde jedoch einen bedeutenden Umstand verdecken: Biogas wird als erneuerbares Primärgas direkt aus Biomasse gewonnen. Dies ist ein sehr effizienter Prozess, der zu einem günstigen PER-Faktor von

PERBio = 1,1 kWhPER/kWhMethan

führt. Das verleitet - aber nur auf den ersten Blick - zu dem Wunsch, vorzugsweise Biogas für die Anwendungen einzusetzen, welche auf speicherfähige Energie angewiesen sind (z.B. im Verkehr oder bei der Heizung). Das Problem ist aber, dass Biogas nur in einem eng begrenzten Ausmaß zur Verfügung steht [Krick 2012]: Es bestehen nämlich bei der nachhaltigen Erzeugung aus Land- und Forstwirtschaft Begrenzungen

  • zunächst der verfügbaren Fläche überhaupt - diese liegt bei etwa 2300 m² landwirtschaftlicher und ca. 1300 m² forstwirtschaftlicher Flächen je Person (für alle Anwendungen zusammen in Deutschland, in der gleichen Größenordnung liegen diese Zahlen aber auch im globalen Durchschnitt, jedoch gibt es gravierende regionale Unterschiede);
  • dann in deren nachhaltiger Nutzbarkeit: Wald darf z.B. nur in dem Ausmaß eingeschlagen werden, in dem er auch wieder nachwächst und die Züchtung Dünger- und energieintensiver Biomasse-Energiepflanzungen auf landwirtschaftlichen Flächen verbietet sich aus Gründen der nachhaltigen Erhaltung von Anbauflächen selbstredend. Mit diesen Begrenzungen würden sich immer noch ca. 16000 kWh/Person oder 33 % des heutigen Primärenergiebedarfs als theoretisches Potential ergeben. Diese Werte sind jedoch im wahrsten Sinn des Wortes ohne den Wirt gerechnet, denn die bedeutendste Beschränkung ergibt sich erst durch die
  • Nutzungskonkurrenz! Biomasse wird heute überwiegend als Nahrungsmittel (Landwirtschaft) sowie als Rohstoff (Forstwirtschaft) eingesetzt. Diese Priorität wird sich künftig sogar noch verstärken müssen, weil der Planet erheblich mehr Menschen ernähren muss. Biomasse steht daher im Wesentlichen nur als „Abfallstoff“ aus anderen Nutzungsprozessen zur Verfügung (z.B. Nahrungsmittelabfälle, Reststroh, Restholz, evtl. Hobelspäne u.ä.). Auch diese Stoffe werden künftig sinnvoller Weise prioritär einer stofflichen Nutzung zugeführt (z.B. Zellulose-Dämmstoff). Zieht man die Nahrungsmittel- und Rohstoffverwendung ab, so verbleiben etwa 5300 kWh/Person oder 11 % des heutigen Primärenergiebedarfs an verfügbarer Energiegewinnung aus Biomasse. Das ist eine insgesamt bescheidene Menge, um die nun eine weitere
  • Nutzungskonkurrenz innerhalb der energetischen Nutzung besteht: Es gibt Anwendungen, die definitiv auf transportfähige Brenn- und Treibstoffe angewiesen sind, ganz prioritär z.B. der Flugverkehr sowie Individualfahrzeuge auf längeren Strecken. Diese können selbstverständlich auch jeweils EE-Gas einsetzen - wodurch sie sich jedoch ökonomisch sehr stark verteuern werden. Eine einfache Abschätzung zeigt, dass insbesondere bereits der Flugverkehr, bei dem es in besonderer Weise auf hohe Energiedichten der Energiespeicherung ankommt, den überwiegenden Teil der Bioenergie-Potentiale in Anspruch nehmen wird.

Letztlich wird für die Nutzung der begrenzten Ressource „Bioenergie“ nur ein begrenztes Budget zur Verfügung stehen. Bei der Nutzung der Haushalte und in Gebäuden ergibt der Einsatz für die Warmwasserbereitung und die Haushaltsstrom- bzw. Bürostromerzeugung jeweils überhaupt keinen Sinn, weil sich hier schon durch die Direktstromnutzung bessere PER-Faktoren ergeben; Biomasse sollte dann also, wenn über den Verkehr hinaus Potentiale übrig bleiben, in GuD-Anlagen verstromt werden (ggf. mit Abwärmenutzung). Dadurch verbleibt insgesamt für die unmittelbare Nutzung im Haushalt auf gleichgültig welche Art (rückverstromtes Biogas, in Kesseln für Heizzwecke direkt verbranntes Biogas, Holz oder Pellets für Biomasse-Kessel) ein nur bescheidenes Budget entsprechend 20 kWh/(m²a) bezogen auf die Wohn- oder Nutzfläche eines Gebäudes. Dieses Budget kann als Biomasse-Brennstoff mit einem PER-Faktor von 1,1 angesetzt werden, über das Budget hinaus muss eingesetztes Methan mit dem Solar- bzw. Windgas-Faktor von 1,75 bewertet werden.

Wärme aus Kraftwärmekopplung

Die Bewertung von Koppelprodukten ist immer mit einer Willkür verbunden: Wie werden die Vorteile der Kopplung an die verschiedenen Produkte verteilt? Für das hier vorliegende System schlagen wir vor, doch wieder eine konsequente Stromgutschriftmethode zu verwenden. Das begründet sich hier wie folgt:

  • Strom ist das Rückgrat der erneuerbaren Energie-Verteilung - er stellt die überwiegend gehandelte Energieform in einer nachhaltigen Zukunft dar. Die Systeme der Wärmeerzeugung mit Hilfe von Wärmepumpen, deren Endenergie aus dem Stromnetz kommt, zeigen durch die jeweils gegebenen Primärstromanteile hervorragende Gesamt-Primärenergie-Aufwandszahlen.
  • Das hier relevante Problem ist die mengenmäßig geringere Verfügbarkeit von Primärstrom im Winter; dadurch bedingt müssen saisonale Speicher auf der Basis von PtG eingerichtet werden, deren Umwandlungskette zu Verlusten führt. Diese Verluste zu reduzieren kann den Aufwand für ein voll erneuerbares Energiesystem senken.
  • Eine Möglichkeit der Reduktion von Verlusten ist die Verwendung der bei der Rückverstromung notwendig anfallenden Wärme für eine Wärmeanwendung (vorzugsweise Heizwärme, weil diese einen hohen PER-Faktor bei EE-Gas oder bei Stromeinsatz aufweist) - das ist genau die Funktion, welche mit der Wärme aus KWK-Anlagen bedient werden kann.
  • Werden die KWK-Anlagen nun stromgeführt betrieben - d.h. sie erzeugen genau dann Strom, wenn dieser aus EE-Primärstrom oder aus dem Mediumspeicher nicht zur Verfügung steht, so substituieren die KWK-Anlagen ansonsten mit Rückverstromungs-Anlagen (ohne KWK) aus EE-Gas erzeugten Strom. Es ist in diesem Fall korrekt, den EE-Gas-Bedarf für die Wärme aus der KWK als Differenz zwischen dem EE-Bedarf der Anlage und dem der substituierten Nicht-KWK-Anlage anzusetzen.

Zu beachten ist: Diese Methode ist hier vor allem deswegen korrekt anwendbar, weil der substituierte Energieträger der gleiche ist, nämlich jeweils EE-Gas. Geradezu irreführend wäre diese Methode, wenn unterschiedliche PE-Quellen, insbesondere wenn ein Gemisch aus nicht erneuerbaren und erneuerbaren Quellen auftreten würde (vgl. [Vallentin 2011]).

Ebenfalls zu beachten ist, dass die Wärmeverteilung einen erheblichen ökonomischen Aufwand bedeutet und auch zu zusätzlichen Wärmeverlusten führt [Kaufmann 2012]. Die energetische Kette wird hier einschl. der Verteilverluste geführt, es zählt die Wärmeübergabe beim Endnutzer. Das führt z.B. zu der klaren Aussage, dass sich eine reine Wärmeversorgung ohne KWK über Nah- und Fernwärmesysteme in einem erneuerbaren Energiesystem nicht empfiehlt: Die Verwendung elektrisch betriebenen Wärmepumpen für die Heizung wäre in einem solchen Fall deutlich effizienter. Interessant können auch Fern- und Nahwärmekraftwerke sein, in denen als zusätzlicher alternativer Wärmeerzeuger eine Wärmepumpe verwendet wird - diese kann bei ausreichend verfügbarem Primärstromangebot die Wärme am kostengünstigsten erzeugen.

KWK-Anlagen in einem erneuerbaren Energiesystem müssen hohe Verstromungsanteile und eine hohe Verstromungseffizienz aufweisen. Der Anteil an der verteilten Wärme, der aus der KWK (oder einer Wärmepumpe) stammt, muss über 75 % liegen (und nur maximal 25 % der Wärme dürfen aus sog. Spitzenkesseln stammen). Nur GUD-Systeme oder Brennstoffzellen sind wirklich attraktiv, der Wirkungsgrad der Erzeugung des Stromanteils sollte hoch sein (hier verwendet: 54 % im Vergleich zu 60 %, die eine GUD-Anlage künftig ohne KWK aufweisen wird). Technisch werden solche Systeme auch für kleine Leistungen zur Verfügung stehen, wie die jüngsten Fortschritte bei Brennstoffzellen zeigen.

Mit einem GUD-Verstromungswirkungsgrad bei gekoppeltem Betrieb von 54 %, einem Wirkungsgrad des Spitzenheizkessels von 92 % und Wärmeverlusten der Fernwärmeverteilung von 15 % ergibt sich der Primärstrombedarf PERfern für die Fern/Nahwärmezeugung inkl. bereits berücksichtigter Stromgutschrift in Abhängigkeit vom KWK-Anteil nach der folgenden Tabelle. Es ist leicht erkennbar, dass der Anteil der in KWK erzeugten Wärme absolut entscheidend für die Sinnhaftigkeit des Systems ist. Vor diesem Hintergrund erscheint eine angemessene Wärmespeicherung sinnvoll, so dass die Anlagen tatsächlich stromgeführt gefahren werden können. Erleichtert wird der Ansatz dadurch, dass der wesentliche Betriebsfall für die Rückverstromung aus EE-Gas der Strombedarf der Raumheizungsanwendungen ist. Dies korreliert natürlich gut mit der Wärmeanforderung der Fernwärme (ebenfalls überwiegend Raumwärme).

Tabelle 1:
PER-Faktoren für die Fernwärme aus KWK


Zum Vergleich: erneuerbarer Heizstrom führt auf einen PER-Faktor von 2.2 (Winterlücken
durch Rückverstromung von EE-Gas gedeckt), Heizung mit einem Brennwertkessel auf Basis
von EE-Methan auf 1,75


Siehe auch

Vorhergehende Abschnitte

Passivhaus – das nächste Jahrzehnt - Fragestellung, Konsequenzen und Perspektiven, Literatur

Methodik

Beispiel: Gesamtstromdeckung für ein Passivhaus

Nachfolgender Abschnitt

1)
Anmerkung des Autors: Im Gegensatz zu der heute überwiegend geführten Diskussion ist die Kurzzeitspeicherung nicht das entscheidende Problem, da hierfür ökonomisch vertretbare Technologien in ausreichendem Maß vorhanden sind (z.B. Pumpspeicherkraftwerke), die „nur noch“ in der Zahl ausgebaut werden müssten, wofür auch Standorte verfügbar wären. Hier handelt es sich um ein politisches Problem - das aber bei der vorherrschenden Stimmung doch ernst zu nehmen ist. Die sich als ebenfalls unverzichtbar herausstellende saisonale Speicherung (hier gibt es keine Standortprobleme, da die Speicher für Erdgas bereits heute in ausreichender Größe betrieben werden) erhöht demgegenüber wegen der höheren Verluste die Kosten für darauf angewiesene Anwendungen (wie z.B. die Heizung) spürbar; auch dieses Problem ist (durch verbesserte Effizienz) lösbar.
2)
für typisches Mitteleuropäisches Klima wurde inzwischen auf Basis der heute verfügbaren Systeme ein PER von rund 1,3 für den Haushaltstrom bestimmt - etwas optimistischer als der hier ermittelte Wert. Der Unterschied liegt aber im Bereich der Genauigkeitsgrenzen, die durch Wetterschwankungen ohnehin gegeben sind.
3)
Das ist übrigens der entscheidende Vorteil eines auf synthetisiertem Methan beruhenden Konzeptes.
4)
Die aktuelle Berechnung liefert für Mitteleuropa einen Faktor von etwa 1,3; also innerhalb der Fehlergrenzen in etwa gleicher Höhe wie beim Haushaltsstrom
5)
Bemerkung 2022: Diese Analyse von 2014 wird inzwischen von fast allen Fachleuten geteilt. Der Übergang zu einer nachhaltigen Wärmeversorgung erfolgt am besten mit Hilfe von Wärmepumpen.
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