planung:sanierung_mit_passivhaus_komponenten:fallstudie_-_schrittweise_durchgefuehrte_modernisierung_bei_wirtschaftlicher_optimierung_der_energiesparmassnahmen:waermeschutzmassnahmen_an_den_regelbauteilen

Wärmeschutzmaßnahmen an den Regelbauteilen

Für die Regelbauteile des Beispielgebäudes wurde in dieser Studie, wie in Abschnitt 9.2.1 beschrieben, jeweils das absolute wirtschaftliche Optimum angenommen (im Folgenden alle Zahlen hierzu aus [Kah/Feist 2008]), das heißt es wurde die Wärmeschutzqualität, die den höchsten jährlichen Gewinn für die Gemeinschaft aus Investor und Nutzer generiert, gewählt (vgl. hierzu auch den Beitrag von Oliver Kah). Nebenbedingung war die Erfüllung der in Abschnitt 9.2.2 genannten Voraussetzung für die Vermeidung von Feuchteschäden, thermischer Unbehaglichkeit und „schlechter Luft“. Für die einzelnen Bauteile ergeben sich die im Folgenden beschriebenen Wärmeschutzstandards:

Außenwand

Die verputzte Fassade des Beispielgebäudes wurde vermutlich seit der Errichtung des Gebäudes noch nicht instandgesetzt. Eine Wärmedämmung ist zeittypisch nicht vorhanden. Die vorhandenen Verschmutzungen (siehe Abbildung 2) legen zumindest einen Neuanstrich zur Erhaltung der Vermietbarkeit des Objekts nahe. Im Zuge des Neuanstrichs ist bei Einberechnung der für diesen entstehenden Ohnehin-Kosten die Anbringung einer Wärmedämmung wirtschaftlich sinnvoll. Für die Außenwand liegt dabei der wirtschaftlich optimale Wärmeschutz bei ohnehin anstehendem Neuanstrich bei 22 cm (λ = 0,040 W/(mK)). Etwas kostengünstiger als eine Vorhangfassade ist hierbei ein WDVS. Diese Wärmeschutzmaßnahme generiert einen jährlichen Gewinn von etwa 4 € pro Quadratmeter Fassadenfläche (vgl. Abbildung 7).

Zeitpunkt:
Der aktuell anstehende Neuanstrich der Fassade sollte zur Anbringung einer Fassadendämmung genutzt werden.

Kellerdecke

Das Beispielgebäude hat eine Stahlbeton-Kellerdecke mit lediglich 10 mm Trittschalldämmung unterhalb des Estrichs.

Die Wärmedämmung der Kellerdecke von unten ist eine Maßnahme, die auch ohne erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen an der Kellerdecke in sich schon knapp wirtschaftlich ist. Die empfohlene Dämmstärke liegt bei einem U-Wert von 0,29 W/(m²K) (entspricht 8 cm mit λ = 0,030 W/(mK)). Das wirtschaftliche Optimum liegt zwar bei einer weit höheren Dämmstärke, mehr als 8 cm können aber aufgrund der normalerweise begrenzten lichten Höhe im Keller nur bei wenigen Gebäuden verwirklicht werden.

Beim Beispielgebäude ist allerdings auch eine Wärmedämmung unter der Kellerdecke von 8 cm schon problematisch. Zum einen beträgt die Lichte Raumhöhe nur ca. 2 m, welche durch Rohre und Beleuchtung schon auf ca. 1,90 m eingeschränkt wird. Eine weitere Reduktion der Raumhöhe würde zu einer Verschlechterung der Nutzbarkeit des Kellers führen. Zudem sind die vorhandenen Holzlattenverschläge an der Kellerdecke befestigt und sind so bei der Anbringung der Wärmedämmung im Weg. Einen weiteren, nur schwierig zu lösenden Punkt stellen bei diesem Gebäude die bis zur Kellerbodenplatte durchgehenden Treppenhäuser dar, die eine Kellerdeckendämmung durchdringen würden.

Eine Wärmedämmung auf der Kellerdecke würde zu einer Unterschreitung der laut Bauordnung vorgeschriebenen Mindestraumhöhe für Aufenthaltsräume führen und kommt daher bei diesem Gebäude nicht in Frage. Als Alternative zur Kellerdeckendämmung wurde daher eine Dämmschürze, d.h. eine Verlängerung des WDVS auf der Außenwand bis ins Erdreich in verschiedenen Varianten untersucht (siehe Abschnitt 11.2).

Zeitpunkt:
Eine Dämmung der Kellerdecke könnte (abgesehen von den o.g. Schwierigkeiten) sofort ausgeführt werden, da sie auch ohne ohnehin erforderliche Instandsetzungsarbeiten knapp wirtschaftlich ist. Aus praktischen Gründen und zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bietet es sich aber an, eine Kellerdeckendämmung gleichzeitig mit anderen Modernisierungsarbeiten im Keller auszuführen (z.B.: Neuanstrich / Neuaufteilung der Kellerverschläge bei Grundrissänderungen in den Wohngeschossen).

Dach / Oberste Geschossdecke

Die Dachkonstruktion des Beispielgebäudes ist aus statischer Sicht nach den heutigen Anforderungen sehr gering bemessen. Die Standsicherheit ist allerdings gegeben. Eine Veränderung des Systems durch Montage einer Dachdämmung (Auf-, Zwischen-, oder Untersparrendämmung) wurde aber vom Statiker ausgeschlossen. Für die Studie wurde daher die Verlegung der Dämmung auf der obersten Geschossdecke im zur Zeit ungenutzten Dachraum gewählt. Eine Alternative wäre der Abriss des Daches mit Neubau eines optimal gedämmten zusätzlichen Wohngeschosses. Dies ist bei benachbarten Gebäuden schon geschehen und kann ein Weg sein, durch Schaffung von zusätzlich vermietbarem Wohnraum das Finanzierungskonzept der Modernisierungsmaßnahme zu verbessern. Da das Dach (Dachhaut und Unterkonstruktion) noch viele Jahre Lebensdauer hat wurde diese Variante hier nicht untersucht.

Die Wärmedämmung kann einfach auf die oberste Geschossdecke gelegt werden. Soll der Dachraum als Lagerfläche genutzt werden, wird auf der Dämmlage eine lastverteilende Lage aufgebracht (Spanplatten oder Estrich). Wie immer sollte die Dampfdiffusionsoffenheit von innen nach außen abnehmen, so dass in der lastverteilenden Lage keine Schicht mit einem höheren sd-Wert als die Stb.-Decke vorhanden sein sollte (z.B. Folie unter Estrich).

Die Dämmung auf der obersten Geschossdecke gehört zu den wirtschaftlichsten Wärmeschutzmaßnahmen. Auch ohne auslösende Instandsetzungsmaßnahmen generiert eine begehbare Wärmedämmung einen Gewinn von ca. 5 €/m² (6 €/m² bei nicht begehbarer Dämmung). Das wirtschaftliche Optimum liegt dabei bei 28 cm Dämmstärke (λ = 0,040 W/(mK)).

Zeitpunkt:
Da die Dämmung auf der obersten Geschossdecke auch ohne auslösende Instandsetzungsmaßnahme sehr wirtschaftlich ist, kann diese Maßnahme sofort ausgeführt werden.

Fenster

Im Beispielgebäude sind in den 80er-Jahren Kunststofffenster mit Zweifach-Isolierverglasung eingebaut worden. Diese sind optisch und funktional noch in gutem Zustand, nur kleinere Instandhaltungsarbeiten wären nötig.

Bei einem Austausch stellt zur Zeit die Dreifach-Wärmeschutzverglasung mit thermisch getrenntem Randverbund das wirtschaftliche Optimum dar.

Für die Fensterrahmen liegt das absolute wirtschaftliche Optimum zur Zeit noch bei einem Standard, der etwas schlechter als das Passivhausfenster ist. Dies wird sich voraussichtlich durch höhere Stückzahlen und technische Weiterentwicklungen in der Zukunft ändern (vgl. z.B.: [Freundorfer 2009]). Für die Studie wurde ein ungedämmtes verbessertes Mehrkammer-Kunststoffprofil mit einem Uf-Wert von 1,19 W/(m²K) gewählt. Zusammen mit einem optimierten Einbau lässt sich so für das gesamte Fenster schon ein Uw-Wert von 0,92 W/(m²K) im Mittel über alle Fenster des Beispielgebäudes erreichen. Dies ist etwas schlechter als der zum sicheren Erreichen der Behaglichkeitskategorie „A“ in Abschnitt 9.2.2.2 für die Außenbauteile geforderte U-Wert von 0,85 W/(m²K). Aufgrund des eher geringen Fensteranteils und der mäßigen Fenstergröße kann aber davon ausgegangen werden, dass beim Beispielgebäude auch mit diesem etwas schlechteren U-Wert die Behaglichkeitskriterien noch eingehalten werden. Eine Strömungssimulation zur sicheren Verifizierung dieser Annahme konnte aber im Rahmen der Studie nicht durchgeführt werden.

Zeitpunkt:
Der Austausch der Fenster ist beim Beispielgebäude erst ca. im Jahr 2025 erforderlich, es ergeben sich aber Vorteile bei einem früheren Fensteraustausch gleichzeitig mit der Fassadendämmung. Lösungsmöglichkeiten werden in Abschnitt 11.3 diskutiert.

Luftdichtheit

Die Gründe für eine Verbesserung der Luftdichtheit von Altbauten wurden in Abschnitt 9.2.2 dargelegt.

Die Bestimmung eines wirtschaftlichen Optimums für die Dichtheit der Gebäudehülle stößt auf Schwierigkeiten. Eine Verbesserung der Luftdichtheit erfordert insbesondere einen höheren Aufwand bei Planung und Qualitätssicherung. Dieser ist monetär aber nur schwer zu bewerten. Geht man von der Annahme aus, dass Gebäude, für die ein Drucktest vorgesehen ist, eine verbesserte Luftdichtheit aufweisen (n50 = 1,0 statt 3,0 1/h) und stellt man der Einsparung bei den Lüftungswärmeverlusten nur die Kosten des Drucktests gegenüber, so ist dieser mit ca. 3 Cent Unkosten pro eingesparte Kilowattstunde Endenergie äußerst wirtschaftlich.

Eine Luftdichtheit von n50 = 0,6 1/h kann in der Regel in vergleichbaren modernisierten Altbauten mit vertretbarem Aufwand unterschritten werden und wurde daher für die Studie angesetzt.

Zeitpunkt:
Die Luftdichtheit sollte in der Regel immer dann verbessert werden, wenn ein Bauteil ohnehin instandgesetzt oder erneuert wird. Die Verbesserung der Luftdichtheit ist zwingend mit dem Einbau einer Lüftungsanlage verbunden.

Lüftungsanlage

Auch in Altbauten ist der Einbau einer Lüftungsanlage im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen unverzichtbar (siehe Abschnitt 9.2.2). Als Mindestmaßnahme muss daher der Einbau einer Abluftanlage angesehen werden. Wird dies vorausgesetzt, liegen die Mehrkosten für eine Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung aufgrund der hohen erzielbaren Einsparungen beim Lüftungswärmeverlust an der Schwelle zur Wirtschaftlichkeit. Unterschiede ergeben sich abhängig von der Wohnungsgröße und dem Anlagentyp (zentral/dezentral).

Vorteile für die Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung gegenüber einer reinen Abluftanlage ergeben sich neben der Energieeinsparung auch hinsichtlich der Behaglichkeit (kein Zugluftrisiko, da die Zuluft vorgewärmt ist) und der Zuverlässigkeit der gerichteten Durchströmung von den Wohnräumen in die feuchte- und geruchsbelasteten Räume (weitgehend unbeeinflusst von Winddruck und thermischem Auftrieb im Gebäude).

Aufgrund der geringen Wohnungsgrößen im Beispielgebäude (ca. 45 m²/WE) wäre eine zentrale Lüftungsanlage voraussichtlich wirtschaftlicher als wohnungsweise installierte Geräte. Ausreichend Platz für eine zentrale Anlage wäre vorhanden (Zentralgerät auf dem Dachboden; vertikale Lüftungskanäle im Kaminschacht oder in den Flurnischen). Bei zentralen Lüftungsgeräten lohnt sich die Investition in einen sehr guten Wärmebereitstellungsgrad in besonderem Maße. Das wirtschaftliche Optimum liegt hier zwischen 86 % und 90 % Wärmebereitstellungsgrad.

Aus den genannten Gründen, wird für das Beispielgebäude eine zentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung und 86 % Wärmebereitstellungsgrad vorgeschlagen.

Zeitpunkt:
Bei einem sehr undichten Gebäude ist ein effizienter und funktionierender Betrieb einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung nicht möglich. Zum einen wird sonst zu viel Luft am Wärmeübertrager vorbei durch die Fugen der Gebäudehülle erneuert, zum anderen kann die gerichtete Durchströmung der Wohnung von den Wohnräumen in die feuchte- und geruchsbelasteten Räume durch Winddruck / -sog gestört oder umgekehrt werden. Andererseits ist bei einer luftdichten Gebäudehülle eine Lüftungsanlage zwingend nötig. Die entscheidenden Verbesserungen der Luftdichtheit werden in der Regel beim Einbau neuer Fenster erreicht. Dies ist daher auch ein sinnvoller Zeitpunkt für den Einbau der Lüftungsanlage.

Heizung

Das Beispielgebäude wird zur Zeit noch mit Gas-Einzelöfen beheizt. Diese sind sehr ineffizient. Laut [DIN 18599-5] haben vergleichbare Gas-Einzelöfen eine Aufwandszahl von 1,40. Ein großer Teil der erzeugten Wärme entweicht ungenutzt durch den Kamin. Zudem ist aufgrund der Lage der Öfen an Innenwänden keine gute Behaglichkeit im Bereich vor den Isolierglasfenstern gegeben. Die Einzelöfen sorgen allerdings während der Heizperiode durch die Ansaugung von Verbrennungsluft für einen kontinuierlichen Grundluftwechsel, der die rel. Luftfeuchte absenkt und so die Gefahr von Schimmelbildung an schlecht gedämmten Bauteilen und Wärmebrücken vermindert.

Bei einer Erneuerung der Heizwärmeerzeugung ist für Mehrfamilienhäuser ein zentraler Gasbrennwertkessel im Vergleich zu anderen Wärmeerzeugern die wirtschaftlichste Lösung.

Zeitpunkt:
Der zentrale Gasbrennwertkessel wird dann eingebaut, wenn ohnehin eine Erneuerung des Heizungssystems ansteht. Die vorhandenen Einzelöfen entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik und verschlechtern auch die Vermietbarkeit der Wohnungen. Eine durchschnittliche Lebensdauer konnte aber der vorliegenden Literatur nicht entnommen werden. Um die Belastung der Mieter gering zu halten, liegt es nahe, die Erneuerung der Heizungsanlage mit anderen Modernisierungsmaßnahmen in den Wohnungen zu koppeln (z.B. Fensteraustausch, Lüftungsanlage). Wird der neue Heizkessel erst eingebaut, wenn der Wärmeschutz schon verbessert wurde, so kann er kleiner dimensioniert werden, was Kosten spart. Moderne Kessel können aber auch in einem relativ großen Bereich ihre Leistung modulieren, so dass bei Wahl eines geeigneten Produkts der Kessel auch nach einer späteren Verringerung der Heizlast durch Verbesserungen des Wärmeschutzes noch effizient arbeiten kann (vgl. dazu den Beitrag von Tanja Schulz).

Siehe auch

Vorherige Abschnitte

Folgende Abschnitte

planung/sanierung_mit_passivhaus_komponenten/fallstudie_-_schrittweise_durchgefuehrte_modernisierung_bei_wirtschaftlicher_optimierung_der_energiesparmassnahmen/waermeschutzmassnahmen_an_den_regelbauteilen.txt · Zuletzt geändert: 2019/01/30 12:25 von cblagojevic