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Schoko-Spar-Spiel

Das folgende Spiel kennen vermutlich so gut wie alle aus der Kindheit - oder von den eigenen Kindern oder Enkeln.

Bei einer Feier liegt eine Tafel Schokolade aus. Zunähst greifen alle zu - es stellt sich heraus, dass die Tafel ganz besonders schmackhaft ist - es gibt aber nur eine.

Oft ist es dann so, dass das letzte Stückchen - eine schon ziemlich kleine, endliche Menge - als „Anstandsrest“ erst einmal liegen bleibt. Bis evtl. jemand auf die Idee kommt, auch dieses Stückchen weiter zu teilen, eben mit einem bereit liegenden Messer zu halbieren. Die Eine Hälfte wird genommen und verzehrt, die andere bleibt liegen.

Die Festgesellschaft diskutiert dann darüber, wie lange man diesen Prozess wohl wiederholen kann: Immer vom jeweils verbliebenen Rest noch einmal nur die Hälfte wegnehmen. Das funktioniert verblüffend lang: Und es findet sein Ende meist nicht darin, dass es schwierig erscheint, die kleine Menge weiter zu halbieren, sondern dass das Spiel irgendwann eben auch langweilig wird.

Wie ist das nun in 'Wirklichkeit'? Nun, das hat recht viele Aspekte, ein paar davon wollen wir kurz ansprechen:

  1. Mathematisch gesehen ist eine immer länger anhaltende Fortsetzung des Halbierungsprozesses möglich: Und so kann daher die Verfügbarkeit von Schokolade, wenn auch am Ende irgendwann in mikroskopischen Mengen, dauerhaft gesichert werden.
  2. Chemisch und physikalisch freilich stoßen wir bei einem fortdauernden Teilprozess irgendwann an die Grenze, bei der die weitere Teilung als Ergebnis nicht mehr „Schokolade“, sondern veränderte Moleküle wären (das sind rund 70 solcher Teilungsschritte, wobei die Praxis des Teilens mit einem normalen Messer dann schon recht schwierig würde). Widerlegt das den Ansatz? Ja, in Bezug auf den unendlichen Prozess - sobald wir uns aber klar machen, wieviel durchaus größere Minibrocken lang vor diesem molekularen Ende aus z.B. einem Viertel des Schokoladenstücks noch herstellbar wären (einige Milliarden), wird doch wieder deutlich, dass das Verfahren eben doch zu einer (endlichen) Lösung führt; eine nachhaltige Lösung möglich macht, weil ein „stückchenweiser“ Schokoladennachschub sicher aus nachwachsenden Ressourcen möglich ist. Wo genau dieser Nachhaltigkeits-Punkt liegt, ist unter den gegebenen Randbedingungen zu ermitteln; und, dieser Wert könnte sich bei technologischen Innovationen durchaus auch ändern.
  3. Das Gleichnis hat eine gewisse Schwäche, die auf die meisten der heute diskutierten Prozesse mit knappen Ressourcen nicht zutrifft: Weil der Konsument hier direkt der Mensch ist, kann er mit Mikrogramm-Dosen der Schoko-Substanz nicht mehr wirklich viel anfangen. Aus dieser Erfahrung resultiert auch die weit verbreitete intuitive Ablehnung dieses Lösungstyps: Mikroskopische Mengen von Schokolade sind eben psychologisch nicht von 'keine Schokolade mehr' unterscheidbar. Für viele technisch verwendeten Materialien und deren Einsatzdauern gilt das so nicht. Gerade im technischen Bereich kann eine solche Lösung daher ziemlich weit tragen, wie das z.B. für die Energieeffizienz illustriert wird.

Wenn die in Betracht gezogenen Mengen typischen Ressourcen- und Verbrauchsdaten entsprechen, so ist die Situation z.B.

  1. Eine gewinnbare Reserve $R$ von ca. 100-fachem Betrag des Verbrauchs $V$.
  2. Dann würde folgende Strategie funktionieren: Wir gewinnen in jeder Betrachtungsphase (z.B. 1 Jahr) gerade 1% der noch bestehenden Reserven, dann ist die Anfangsentnahme $V_0$=1 (=1% von $R$), die folgende Entnahme 1% von 99% = 0,99, die dritte 0,99*0,99 usw. Bei dieser Betrachtungsweise ist unmittelbar klar, dass die Reserven sich dabei nicht vollständig erschöpfen. Nach 30 Jahren stehen immer noch ca. 74% des Anfangsverbrauchswertes zur Verfügung, selbst nach 100 Jahren noch rund 37%.
  3. Ein Zeitraum von deutlich über 100 Jahren ist sicher ausreichend, um nachhaltige Lösungen für die zu erfüllende Aufgabe zu finden und zu implementieren; durch die Effizienzverbesserung wird dies ermöglicht. I.a. ist eine Reduktion des Verbrauchs auf rund 1/5 bis 1/3 des derzeitigen Ausgangswertes ausreichend, um unter die Nachhaltigkeitsgrenze abzutauchen.
  4. In der Ökonomie der Ressourcen-Bewirtschaftung wird in aller Regel davon ausgegangen, dass sich letztlich erheblich höhere Reserven erschließen lassen, meist allerdings nur zu höheren Kosten. Während das für z.B. Materialien wie seltene Erden oder Lithium sicher zutrifft, ist es für die Verschmutzungstoleranz z.B. der Erdatmosphäre anders - hier gibt es keine verborgenen bisher nicht erschlossenen Ressourcen. Daher muss die Zivilisation (irgendwann - und das ist noch in diesem Jahrhundert!) auf eine vollständig nachhaltige Energieversorgung übergehen. In Bezug auf die Ressource Energie geht das sogar - denn die über die Solareinstrahlung der Erde jährlich neu zugestrahlte Energiemenge, die im normalen Fließgleichgewicht auch wieder als Wärmestrahlung abgestrahlt wird, reicht mehr als aus, um alle Bedürfnisse einer hoch entwickelten Zivilisation zu decken. Natürlich kann davon nur ein Teil durch ein Einklinken in den natürlichen Energiestrom „abgezweigt“ werden. Mit zunehmender Kenntnis der Zusammenhänge und dem technischen Fortschritt kann dieser nutzbare Teil sogar in gewissem Umfang erhöht werden9).

Zurück zu den Bemerkungen zur Wachstumsdebatte.

9)
Der insgesamt so jährlich verfügbare Energiestrom allerdings ist begrenzt. Unter dieser Grenze an jährlichem Verbrauch müsste der Energiebedarf auf der Erde dann zunächst bleiben; sollen damit weiter in wachsendem Umfang Werte geschaffen werden, dann geht das aber immer noch durch jeweils weitere Verbesserung der Energie-Effizienz. Die Schule der weiter stark steigenden Wachstumserwartungen sieht die künftige Expansion dann in der Regel in der Ausbeutung außerplanetarer Ressourcen (z.B. von Asteroiden). Ob dies in ferner Zukunft einmal Realität werden kann, dass steht heute noch im wahrsten Sinn des Wortes 'in den Sternen'. Innerhalb dieses Jahrhunderts kann ein bedeutender Beitrag solcher extraterrestrischen Ressourcennutzung aber wg. der damit verbundenen enormen Kosten ausgeschlossen werden: Die Experten in diesen Gebieten sehen die Erschließung extraterrestrischer Ressourcen dann auch vor allem eben für die Nutzung im Weltall (außerhalb der Erde), weil Ressourcen z.B. vom Mond auf dem Mond in aller Regel weitaus kostengünstiger sind als von der Erde.
grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/schoko-spar-spiel.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/23 14:59 von wfeist